SEX, GRAS UND ALKOHOL
Amsterdam tüftelt an neuem Image
Mit seinem liberalen Ruf zieht Amsterdam unzählige Reisende an – doch das soll sich ändern. Geplagt von den Kehrseiten des Massentourismus, will sich die Stadt einen Neuanstrich verpassen. Die Regeln für Gras, Alkohol und Sexarbeit werden strenger. Begleitet wird das von einer Kampagne gegen partywütige Touristinnen und Touristen. Die Bevölkerung reagiert mit Erleichterung – und Protest. Eine Reportage aus dem Rotlichtviertel De Wallen.Online seit heute, 8.01 UhrTeilen
„Keine früheren Schließzeiten“ oder „Rettet nicht uns, rettet unsere Fenster“ ist auf Schildern des Amsterdamer Informationszentrums für Prostitution (PIC) bei einem Besuch Ende März zu lesen. Erst tags zuvor zogen Hunderte Sexarbeiterinnen durch die Straßen. Sie protestierten gegen härtere Vorschriften, die ihnen schon bald bevorstehen.
Konkret soll ab Mitte Mai die Sperrstunde von Sexarbeiterinnen von sechs auf drei Uhr in der Früh vorverlegt werden. Das sei katastrophal, erklärt eine Mitarbeiterin des Informationszentrums im Gespräch mit ORF.at. Der Grund? In jenen Stunden würden die Sexarbeiterinnen das meiste Geschäft machen. Und es ist nicht die einzige Maßnahme der Stadtregierung, die in der Szene für Entsetzen sorgt.

Entsetzen über geplantes Erotikzentrum
Um den „Druck auf das Rotlichtviertel“ zu reduzieren, kündigte Bürgermeisterin Femke Halsema von der Partei GroenLinks (deutsch: GrünLinks) konkretere Pläne für den Bau eines Erotikzentrums an. Dieses soll Platz für 100 Sexarbeiterinnen, die derzeit hinter den rot beleuchteten Fenstern tätig sind, bieten. „Die Lebensqualität der Bewohner steht seit Jahren unter dem Druck der Touristenströme, für die die Fenster nur eine Attraktion sind“, so Halsema.
Prostitution
ist in den Niederlanden seit über zwei Jahrzehnten legal und hoch besteuert. Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter müssen Einkommenssteuer bezahlen und sich bei der Handelskammer registrieren.
Wo das Erotikzentrum angesiedelt sein wird, steht noch nicht fest. Zum Missfallen der EU-Arzneimittelbehörde EMA befinden sich zwei der drei möglichen Standorte aber in direkter Nähe der EU-Agentur. Während EMA um die Sicherheit ihrer 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fürchtet und Protest ankündigt, warnen Sexarbeiterinnen vor gefährlicheren Arbeitsbedingungen. Sie kritisieren zudem die Stigmatisierung ihrer Tätigkeit.
Rückdeckung bekommen sie vom frisch gewählten Nachtbürgermeister Freek Wallagh, der als Vermittler und Ansprechperson für Gastronomen, Kulturschaffende, Anwohnerinnen sowie Politik fungiert. Geht es nach ihm, dann sollte Sexarbeit als „lebendes, atmendes Kulturerbe“ angesehen werden. Boten Frauen doch bereits kurz nach Entstehung des Stadtteils De Wallen im 13. Jahrhundert ihre Dienste an. Der liberale Umgang mit Sex und Cannabis sei auch Teil dessen, was Amsterdam zu jener liberalen Oase gemacht habe, die sie heute ist, so Wallagh zu ORF.at.

Kiffverbot auf den Straßen
Tatsächlich sind die neuen Regeln für Sexarbeiterinnen nur ein Teil des Maßnahmenpakets, mit dem Halsema die Lebensqualität in der Innenstadt wieder verbessern möchte. Kiffend durch die Gassen der Amsterdamer Innenstadt zu ziehen soll künftig nicht mehr erlaubt sein. Ebenso sollen Gaststätten an Wochenenden früher schließen und ab ein Uhr Früh keine neuen Gäste mehr zulassen.
Schon jetzt ist der Verkauf von Alkohol in Geschäften, Spirituosenläden und Cafes an Wochenenden ab 16 Uhr verboten. Die Stadt könnte aber noch weiter gehen: Die Behörden prüfen nämlich, ob der Verkauf von Haschisch und Marihuana in den Coffeeshops zwischen 16.00 und 1.00 Uhr eingeschränkt werden kann. Eine anderer Vorstoß Halsemas, laut dem Touristinnen und Touristen aus den Coffeeshops der Stadt verbannt werden sollten, war im Herbst gescheitert.

Bewohner: Leben wie „im Disneyland“
Die neuen Regeln zielen darauf ab, Anrainerinnen und Anrainer wie Edwin Schölvinck zu entlasten. Schölvinck lebt seit 30 Jahren im Rotlichtviertel. Die Touristenmassen würden – mit Ausnahme der letzten drei Jahre – seither zunehmend zur Herausforderung. „Manchmal komme ich mir so vor, als ob ich im Disneyland leben würde“, sagt er. Häufig komme es in der Gegend zu Junggesellenabschieden. Saufende, grölende und kiffende Menschen sind die Folge.ORF Sound 8.4.2023, 7.15 Uhr
Amsterdam: Vorgehen gegen Kiffer und Partytouristen
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Schölvinck versucht deshalb Bewusstsein bei Touristinnen und Touristen zu schaffen. Konkret engagiert er sich bei der „We Live Here“-Kampagne, die Anrainer auf Vorschlag der Stadt vor einigen Jahren ins Leben gerufen hatten. Als Teil jener Kampagne sind im gesamten Viertel Poster von Anrainern zu sehen. Die simple Botschaft lautet „We live here“ – also „wir leben hier“.

Die neuen Vorschriften heißt er im Gespräch mit ORF.at „willkommen, solange sie das Leben besser machen“. Schölvinck stellt zugleich aber die Sinnhaftigkeit des Cannabisverbots auf den Straßen infrage. Während Cannabis die Menschen beruhige, seien diese durch den Konsum von Alkohol aggressiver und lauter, meint er.
Touristen steht Schölvinck auch nicht grundsätzlich mit Abneigung gegenüber. „Die Zahlen sind das Problem“, hält er fest. Allein 2023 werden über 18 Mio. Besucherinnen und Besucher erwartet. Im Vorpandemiejahr 2019 waren es 22 Mio. Menschen. Dabei zählt Amsterdam gerade einmal 900.000 Einwohnerinnen und Einwohner.
Wie Amsterdam gegen Partytouristen vorgeht
Um dem Massentourismus mit all seinen Kehrseiten Herr zu werden, setzt die Stadt neben Vorschriften auf einen bunten Strauß an Kampagnen. „We Live Here“ ist eine davon, die Kampagne „How To Amsterdam“ – der Fokus liegt dabei auf Benimmregeln – eine weitere. In den Schatten wurden jene Initiativen jüngst von der „Stay Away“-Kampagne, die junge Sauf- und Drogentouristen aus Großbritannien mit Videos und Informationsseiten aus der Stadt abschrecken will, gestellt.
Weder Schölvinck noch Wallagh oder Coffeeshop-Besitzer Joachim Helms können mit der Abschreckungskampagne viel anfangen. „Amsterdam war schon immer eine tolerante und liberale Stadt“, sagt Helms. Es sei „widersprüchlich“, erst jahrelang Touristen in die Stadt zu locken und nun eine Kampagne zu starten, um die Menschen fernzuhalten. Außerdem würde sich nur ein sehr kleiner Teil der Menschen, die nach Amsterdam reisen, daneben benehmen, sagt er.

Nachtbürgermeister: „Wir müssen aufpassen“
Kampagnen wie „Stay Away“ seien kontraproduktiv, meint auch Nachtbürgermeister Wallagh. Diese würden betonen, dass Amsterdam eine Stadt „für Drogen und Alkohol“ sei. „Wir sind so viel mehr als das. Wir sind eine Stadt der Kunst. Wir sind eine Stadt der Kultur, es gibt so viel Schönes zu erleben“, so der Nachtbürgermeister.
Wenngleich „prüde und reaktionäre Ansichten“ in der Stadt an Bedeutung gewinnen würden, so hätten nach Ansicht Wallaghs in Amsterdam alle ein Interesse daran, den Tourismus einzudämmen. Mit Blick auf den liberalen Lebensstil der Stadt und seiner Bewohnerinnen und Bewohner mahnt er aber zu Vorsicht: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht etwas zerstören, das wir über Jahrhunderte aufgebaut haben – und zugleich sicherstellen, dass Amsterdam nicht zu einem komischen Mix aus Venedig und Disneyland wird.“
Katja Lehner, ORF.at, aus Amsterdam, Robert Zikmund, ORF
Links:
- Presseaussendung der Stadtregierung (9. Februar 2023)
- Presseaussendung der Stadtregierung (16. Februar 2023)
- „We Live Here“-Kampagne
- Green House Coffeeshops
QELLE : ORF.AT
SCHARFE KRITIK
China hält Militärübung nahe Taiwan ab
Inmitten erhöhter Spannungen hat China eine dreitägige Militärübung mit dem Namen „vereintes scharfes Schwert“ rund um die Insel Taiwan begonnen. Dabei handle es sich um eine „ernste Warnung“ an „separatistische Kräfte“ in Taiwan, teilte ein Sprecher der chinesischen Volksbefreiungsarmee am Samstag mit. Taiwan übte Kritik an den Manövern.Online seit heute, 15.00 UhrTeilen
Für die bis Montag geplante Militärübung wurden Peking zufolge unter anderem Bomberflugzeuge und Raketenschnellboote mobilisiert. Taiwans Verteidigungsministerium registrierte am Samstag laut eigenen Angaben zahlreiche Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe rund um die Insel.
71 Flugzeuge und neun Kriegsschiffe hätten bis Samstagnachmittag (Ortszeit) die Mittellinie der Straße von Taiwan überquert, teilte das Verteidigungsministerium mit. Die Meerenge trennt Taiwan vom chinesischen Festland.
ZIB 13:00, 8.4.2023Chinesische Militärübung nahe Taiwan
Taipeh: Peking untergräbt Frieden
Taiwans Rat für Festlandangelegenheiten, der für die Beziehungen zu Peking zuständig ist, kritisierte Chinas angekündigte Militärübungen scharf. Diese würden „den Frieden und die Stabilität in der Region untergraben“, hieß es in einer Stellungnahme vom Samstag.

Die Regierung sei fest entschlossen, die nationale Souveränität und Demokratie zu verteidigen und weiterhin eng mit gleichgesinnten demokratischen Ländern zusammenzuarbeiten.
Taiwans Präsidentin traf führenden US-Politiker
Erst am Mittwoch hatte Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen den Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, zu Gesprächen getroffen. Die Begegnung in Kalifornien war die erste dieser Art auf US-amerikanischem Boden. Dabei bedankte sich Tsai bei den USA für ihre fortwährende Unterstützung. Im Hinblick auf China sagte sie: „Wir befinden uns wieder einmal in einer Welt, in der die Demokratie bedroht ist.“

Die chinesische Regierung hingegen sprach von einem „ungeheuerlichen Fehlverhalten“ und wertete das hochrangige Treffen als schwere Provokation. Aus Protest sanktionierte China unter anderem die Ronald-Reagan-Präsidentenbibliothek in Simi Valley, wo das Treffen zwischen Tsai und McCarthy stattfand.
Xi bekräftigt Machtanspruch Pekings
Die kommunistische Führung in Peking betrachtet die demokratisch regierte Insel Taiwan als Teil der Volksrepublik und versucht das Eiland mit seinen 23 Millionen Bewohnerinnen und Bewohnern politisch zu isolieren. Regelmäßig droht Peking zudem, Taiwan notfalls auch mit militärischen Mitteln erobern zu wollen.

Am Donnerstag bekräftigte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping bei einem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Peking den Machtanspruch auf die Insel: „Zu erwarten, dass China in der Taiwan-Frage kompromissbereit ist, ist nur Wunschdenken. Wer das tut, wird sich nur selbst ins Knie schießen.“
Pelosi-Besuch löste Krise aus
Ein Besuch von McCarthys Vorgängerin Nancy Pelosi von den Demokraten im August in Taiwan hatte zu einer schweren Krise geführt. Damals simulierte die chinesische Volksbefreiungsarmee eine militärische Inselblockade.
Der Konflikt um Taiwan ist ein zentrales Streitthema zwischen der Volksrepublik China und den Vereinigten Staaten. Washington hat sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet, was auch Waffenlieferungen umfasst. Beobachter befürchten, an dem Streit könnte sich potenziell eine militärische Konfrontation zwischen den zwei Weltmächten entfachen.
red, ORF.at/Agenturen
Links:
QELLE : ORF.AT
NACH TÖDLICHEN ANSCHLÄGEN
Israel mobilisiert weitere Einheiten
Nach zwei Attentaten mit insgesamt drei Toten hat Israel am Freitagabend die Mobilisierung zusätzlicher Polizisten und Soldaten angekündigt. Auf der Strandpromenade von Tel Aviv wurde ein italienischer Tourist bei einer Attacke mit einem Auto getötet, sieben weitere Touristen wurden verletzt. Zuvor waren im Westjordanland zwei junge Frauen mit israelischer und britischer Staatsangehörigkeit getötet worden.Online seit heute, 8.57 Uhr (Update: 14.04 Uhr)Teilen
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe die Polizei angewiesen, „alle Reserveeinheiten der Grenzpolizei“ zu mobilisieren, teilte das Büro des Regierungschefs nach dem Anschlag in Tel Aviv mit, der während des Schabbat und des Pessachfestes verübt wurde. Zudem habe Netanjahu die Armee angewiesen, „zusätzliche Kräfte zu mobilisieren, um den Terroranschlägen entgegenzutreten“, erklärte das Büro weiter.
Polizei: „Terroranschlag auf Zivilisten“
Die Polizei in Tel Aviv sprach von einem „Terroranschlag auf Zivilisten“, als der Attentäter laut Polizei am Freitagabend nahe der Strandpromenade eine Gruppe von Menschen mit seinem Auto rammte. Das Fahrzeug habe sich überschlagen. Als der Fahrer versuchte, eine Waffe zu ziehen, sei er von einem Polizisten erschossen worden.
Bei dem getöteten Touristen handelte es sich nach Angaben der italienischen Regierung um einen 35-jährigen Mann. Sieben weitere Touristen im Alter zwischen 17 und 74 Jahren wurden laut Polizei und Rettungskräften verletzt, darunter drei Briten und ein Italiener, wie das Portal Ynet berichtete.

Der italienische Außenminister Antonio Tajani berichtete am Samstag von mindestens zwei verletzten Italienern, deren Zustand besorgniserregend sei. Der getötete Italiener, laut israelischen Medien ein Anwalt aus Rom, sei erst am Freitagvormittag mit einer Gruppe von Freunden in Tel Aviv angekommen, um dort über Ostern Urlaub zu machen, sagte Tajani in der Früh im öffentlich-rechtlichen TV-Sender Rai. „Der Terrorismus kennt keine Gnade, er muss mit großer Entschlossenheit verurteilt werden“, so der italienische Außenminister.
Fahndung nach Attacke im Westjordanland
Im von Israel besetzten Westjordanland waren am Freitag zuvor bei einem mutmaßlichen Angriff zwei israelische Frauen getötet worden. Die israelische Armee erklärte, das Fahrzeug sei von Palästinensern im Norden des Jordantals beschossen worden. Die beiden Schwestern im Alter zwischen 20 und 30 Jahren hätten dann einen Unfall gehabt, teilte der Rettungsdienst Magen David Adom mit. Die Mutter der beiden sei bei dem Unfall schwer verletzt worden. Nach dem Täter wird gefahndet, berichtet das Portal Ynet.

Raketenbeschuss aus dem Libanon
Die Ereignisse folgten auf schweren Beschuss mit Raketen aus dem Libanon auf Israel, woraufhin Israel in der Nacht auf Freitag Stützpunkte militanter Palästinenser im Nachbarland sowie im Gazastreifen aus der Luft angegriffen hatte. Die Armee machte sie für die heftigsten Angriffe aus dem Libanon seit anderthalb Jahrzehnten verantwortlich. Auch in Israel gab es mehrfach Alarm, weil Geschoße aus dem Gazastreifen abgefeuert wurden.
ZIB 13:00, 8.4.2023Cupal (ORF) über Lage in Israel
Am Donnerstag waren nach Angaben der israelischen Armee Dutzende Raketen aus dem Libanon auf israelisches Gebiet gefeuert worden – so viele wie seit 2006 nicht mehr. Damals war zwischen den beiden Seiten ein Krieg ausgebrochen. Bereits seit 1978 befinden sich die beiden Länder offiziell im Kriegszustand. Damals war Israel erstmals in den Libanon einmarschiert. Der Konflikt begann aber bereits 30 Jahre zuvor.
Armee: „Terroristische Infrastruktur“ der Hamas als Ziel
An der Grenze der beiden Staaten kommt es immer wieder zu Spannungen. Die im Gazastreifen herrschende Hamas hat auch in den palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon großen Einfluss. Israels Armee nahm eigenen Angaben zufolge im Libanon „terroristische Infrastruktur“ der Hamas zum Ziel. Bei den Angriffen sind Augenzeugen zufolge mehrere Häuser nahe der Stadt Tyros beschädigt worden.
ZIB 13:00, 8.4.2023Angespannte Lage in Israel
Der Libanon trage die Verantwortung für jeglichen Beschuss, der von seinem Staatsgebiet ausgehe, hieß es in einer Erklärung des israelischen Militärs. Dessen geschäftsführender Ministerpräsident Nadschib Mikati betonte: „Der Libanon lehnt jede militärische Eskalation, die von seinem Land ausgeht, sowie die Nutzung libanesischen Territoriums zur Durchführung von Operationen, die die bestehende Stabilität gefährden können, vehement ab.“
Israel flog Angriffe auf Gazastreifen
In der Nacht auf Freitag und in der Früh flog Israels Armee auch Angriffe auf den Gazastreifen. Israelische Kampfjets bombardierten nach Militärangaben unter anderem Waffenfabriken sowie Angriffstunnel der islamistischen Hamas. Verletzte oder Tote wurden bisher nicht gemeldet. Ein Kinderspital wurde nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums beschädigt. Eine Sprecherin der israelischen Armee bestätigte Angriffe auf Ziele in der Nähe, von einer Beschädigung des Spitals wisse sie aber nichts.

Dutzende Geschoße auf Israel abgefeuert
Auch in einigen israelischen Orten im Süden gab es mehrfach Raketenalarm. Nach Angaben der Armee wurden in der Nacht mehr als 40 Geschoße aus dem Gazastreifen auf Südisrael abgefeuert.
Der jüngsten Eskalation in Nahost vorausgegangen waren Zusammenstöße der israelischen Polizei mit Palästinensern auf dem Tempelberg in Jerusalem. Der Tempelberg steht unter muslimischer Verwaltung, während Israel für die Sicherheit zuständig ist. Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. Er ist jedoch auch Juden und Jüdinnen heilig, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen. Auf dem Gelände um die Moschee kommt es immer wieder zu gewalttätigen Konfrontationen.
Weil dieser Tage Ramadan, das jüdische Pessachfest sowie Ostern gleichzeitig stattfinden, zieht es deutlich mehr Gläubige als sonst in die Jerusalemer Altstadt.
EU verurteilt Anschläge und „willkürlichen“ Beschuss
Die EU hat die Anschläge sowie die „willkürlichen“ Raketenangriffe auf das Land vom Libanon und dem Gazastreifen aus scharf kritisiert. „Die EU verurteilt diese Gewalttaten aufs Schärfste“, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Samstag in Brüssel. „Das muss aufhören.“
Die Europäische Union fordere „alle Seiten“ zu „maximaler Zurückhaltung“ auf, „um eine weitere Eskalation zu vermeiden und Ruhe für die religiösen Feiertage zu gewährleisten“. Israel habe das „Recht auf Verteidigung“, betonte Borrell, fügte aber hinzu, dass „jede Reaktion verhältnismäßig“ sein und der Status quo aller heiligen Stätten gewahrt werden müsse.
red, ORF.at/Agenturen
Links:
- Israelischer Ministerpräsident
- Ynet-Artikel (hebr., zum Anschlag in Tel Aviv)
QELLE : ORF.AT
Ostern
Bräuche zeigen die Gesellschaft
Bräuche zeigen die Gesellschaft teilenGesellschaftSozialesÖsterreich
Online seit heute, 06:00 Uhr
Wie das Osterfest, vor allem die Zeit davor, zu verbringen sei, ist seit dem zweiten Jahrhundert nach Christus Gegenstand teils heftiger Kontroversen. Fasten und Erlösung sind zentrale Gedanken auf dem Weg hin auf das christliche Osterfest. Doch viele Bräuche haben auch weltliche Hintergründe, die sehr auf das politische System einer Region verweisen.Gerald Heidegger, Silvia Heimader
Um die Archaik der Osterbräuche in Österreich zu finden, muss man nicht ewig weit in die Vergangenheit blicken. Ein Dokument zu Osterbräuchen in Tirol und Osttirol aus dem Jahr 1973 zeigt eine Reihe von Bräuchen und Ritualen, die in der Gegenwart einigermaßen fremd ankommen. Sie erzählen von der Überwindung des „Bösen“ ebenso wie die Bitten um ein Auskommen im Leben und die Erinnerung an die Überwindung des Todes durch Jesus von Nazareth.
„Um Ostern als wichtigste Zeit im kirchlichen Jahreslauf verteilten sich in früheren Zeiten wichtige Lostage“, berichtet auch der Matreier Volkskundler Karl C. Berger. Lostage bezeichnet dabei Tage, an denen gewisse Tätigkeiten verrichtet, aber auch Tribute entrichtet werden mussten. Aufgeführte Bräuche rund um das Osterfest, so Berger, hingen mit diesen Pflichten bzw. Zinsabgaben zusammen. Die spätmittelalterlichen Abgabepflichten an die Grundherren fallen da ebenso darunter wie die verpflichtende Abgabe von Naturalien. Das „Zinsei“ oder auch „Hubei“ gehört dazu und meint den Überschuss an Eiern, die Bauern in der Fastenzeit ansammelten und als Zinsleistung an die Grundherren in Naturalform übergaben. Die strenge Fastenzeit verbot ja den Verzehr von Fleisch. Und unter dieses Verbot fiel auch das Ei.
Orte des Videos aus 1973
Außerfern – Scheibenschlagen am „Hexensonntag“
Hall in Tirol – Palmsonntag bis Karsamstag
Prägraten – Prozession mit Widder
Kals am Großglockner – Widderprozession am Schmerzensfreitag
Oberlienz – Ratschen
Thurn in Osttirol – Helenenkirche
Die Fixierung auf das Thema Brot
Umgekehrt brachte die fleischlose Zeit eine Fixierung auf die Bedeutung von Brot, was man etwa in Tirol an den zahllosen Brotweihen ablesen kann. Zum Helenenkirchl oberhalb von Lienz pilgerte man vor Ostern mit Tieren und Leiterwagen, um dort Brotlaibe zu weihen und eine gute Roggenernte zu erbitten. Die Verteilung des geweihten Brotes (wie auch im Topos-Video am Schluss zu sehen) hat somit die Bitte um den Segen für das Jahr wie auch die Feier des Osterwunders, an das Christinnen und Christen glauben, zum Gegenstand. Gebacken wurde zu Ostern auch ein spezielles Fladenbrot, das sich durch das Feuer (Mittelhochdeutsch: „vochenze“) als „Fochaz“ bzw. „Fochezn“ in den späteren Sprachgebrauch übersetzte. Man muss also nicht nach Italien schauen, um die „Focaccia“ zu lokalisieren.

Funkenfeuer und „Hexenverbrennung“
Sonn-, aber auch Freitage in der Fastenzeit waren mit symbolischen Handlungen verbunden, die in enger Verbindung mit dem Osterfest standen. Etwa das Funkenfeuer, das als alter Feuerbrauch im schwäbisch-alemannischen Raum, aber auch im Tiroler Oberland und im Vinschgau verbreitet ist. Der Funken ist meist ein Strohhaufen oder aufgeschichteter Holzturm, der nach Einbruch der Abenddämmerung angezündet wird. Auf der Spitze des Funkenturmes befindet sich nicht selten eine Hexenpuppe („Funkenhexe“), die mancherorts auch mit Schießpulver gefüllt sein kann. Das laute Explodieren der Hexenpuppe als Höhepunkt des Funkenfeuers wird in manchen Gegenden als besonderes Glückszeichen gewertet.01:29
Dorfbewohner bei einer Feuerweihe in Osttirol, 1936
In Tirol, wie ebenfalls auf dem Video zu sehen, ist das Scheibenschlagen mit der Tradition des Funkenfeuers verbunden: Brennende Scheiben werden von Lanzen in die dunkle Nacht geschleudert und mit Sinnsprüchen unterlegt (Anfang des Topos-Videos, hier mit einem Beispiel aus dem Außerfern). In vielen Gegenden Nordtirols heißt der erste Sonntag der Fastenzeit auch „Hexensonntag“. Und in Vorarlberg ließ man diese Tradition in die Liste des UNESCO-Erbes eintragen. Ob freilich das Abbrennen einer Frauenfigur in die Zeit passt, ist seit den 1990er Jahren Gegenstand von Debatten. Im Vorarlberger Lustenau feierte man 2019 noch den Weltrekord beim Aufstellen eines über 60 Meter hohen Holzturmes, an dessen Spitze die „Funkenhexe“ stand.

Manche Brauchtumsformen der Osterzeit entwickelten sich gar als Widerstandsformen gegen die gesamtstaatliche Obrigkeit. Am „Schmerzensfreitag“, das ist der Freitag eine Woche vor dem Karfreitag, wird in vielen Gemeinden ein weißer Widder an der Spitze einer Prozession in die Pfarrkirche geleitet, um der „sieben Schmerzen der Maria“ zu gedenken. Der festlich geschmückte Widder bleibt während der gesamten Messe vor dem Marienaltar stehen und wird nach der Messfeier versteigert. Im Osttiroler Kals am Fuße des Großglockners geht das „Widderopfer“ auf ein Pestgelöbnis aus dem frühen 17. Jahrhundert zurück. Des Überstehens der Pest sollte mit diesem Widderopfer gedacht werden. Selbst ein Verbot dieses Rituals während des Josephinismus wurde von den Kalsern missachtet.
Als die Virger und Prägratner in ihrem Glauben zur Kirche ‚Maria Schnee‘ in Obermauern pilgerten, machte der Zug der Bittsteller Halt, um auf halbem Wege zu beten. Plötzlich erspähten sie hinter den Zäunen den schwarzen Tod in der Gestalt des Sensenmannes. Mit einem mächtigen Schwung hieb der dunkel verhüllte Knochenmann seine Sense in Richtung des Tales. Die Pilger beobachteten dies erschrocken und mussten tatenlos zusehen. Ihre einzige Möglichkeit bestand im Gebet. Die schien zu fruchten, denn gerade als der Sensenmann erneut zum Schwung ausholen wollte, stürmte ihm aus Richtung der Kirche her ein weißer Widder entgegen. Wutentbrannt rammte das Tier dem schwarzen Tod seinen mächtigen gehörnten Schädel in die Seite.
Zur Legende aus dem frühen 17. Jh., aus: Bernd Lenzer, Martin Müller: Lebendiges Brauchtum in Osttirol und im südtiroler Pustertal (2005)
Die frühchristliche Debatte über das Osterfest
Wie die Zeit vor Ostern zu feiern sei, ist regional höchst unterschiedlich. Fasten und der Erlösungsgedanke sind aber schon seit der Frühzeit des Christentums zentral. Umstritten aber war durch die langsame Absetzbewegung der christlichen Sekte aus dem Judentum des vorderen Orients, wie sehr das Osterfest mit der Feier des jüdischen Pessach-Festes in Verbindung stehen sollte. Galt das Pessach-Fest ja als Familienfest, setzten das frühe Christentum und vor allem jene, die es im Westen verbreiteten, auf ein weitgehend „öffentliches“ Fest, sofern das vor dem politischen Rahmen möglich war.

Herzstück der Osterfeier ist die nächtliche Vigil, zu er alle Christinnen und Christen zusammenkommen sollen und eben nicht nur die Mitglieder einer Familie. Der frühchristliche Schriftsteller Tertullian (150–220) fürchtete sogar, der heidnische Gatte könnte Bedenken haben, seine christliche Frau zu der nächtlichen Osterfeier gehen zu lassen. Der Verlauf einer österlichen Feier ist durch die zentralen Glaubensgrundsätze des Christentums um die Auferstehung und das Leben nach dem Tod unbestritten – unterschiedliche Auslegungen existierten im frühen Christentum über die Länge der Fastenzeit, die ein paar Tage ebenso umfassen konnte wie die Woche zwischen Palmsonntag und der Auferstehungsfeier.
„Trotz verschiedener Akzentuierungen im Einzelnen darf man für Ost und West eine weitgehend übereinstimmende Auffassung vom Grundgedanken der österlichen Feier annehmen“, schreibt der Kirchenhistoriker Hubert Jedin in seiner Geschichte der frühchristlichen Kirche: „Man begeht in ihr das Gedächtnis der Grundwahrheiten und Grundtatsachen der christlichen Erlösung, die der Menschheit durch den Tod und die sieghafte Auferstehung des Herren zuteilwurde.“ Die endgültige Festlegung, wie Ostern zu feiern sei und wer vor allem Teil der Kirche ist, erfolgte letztlich im Konzil von Nicäa im Jahr 325.
Gerald Heidegger (Text und Video-Gestaltung), ORF Topos, Silvia Heimader (Archivrecherche), Marlene Mayer (Schnitt), für ORF Topos
Links:
- Osterbräuche in Tirol und Osttirol (Tiroler Volkskundemuseum)
- Hintergründe zum Widderopfer (Uni Innsbruck)
- „Weltrekordfunken“ in Lustenau (vorarlberg.ORF.at)
- Osterschwerpunkt auf religion.ORF.at
v1.0.4-production (06. April 2023, 08:59:15)
QELLE : ORF.AT
ADMIRAL Bundesliga
24. Runde
- WSG Tirol gegen RZ Pellets WolfsbergWSG TirolRZ Pellets Wolfsberg4:0Endstand
- SV Guntamatic Ried gegen TSV Egger Glas HartbergSV Guntamatic RiedTSV Egger Glas Hartberg0:12. HZ
- SC Austria Lustenau gegen Cashpoint SCR AltachSC Austria LustenauCashpoint SCR Altach0:02. HZ
- Spielvorschau: FC Red Bull Salzburg gegen FK Austria WienFC Red Bull SalzburgFK Austria WienSpiel startetMorgen14.30 Uhr
- Spielvorschau: SK Rapid Wien gegen SK Austria KlagenfurtSK Rapid WienSK Austria KlagenfurtSpiel startetMorgen14.30 Uhr
- Spielvorschau: LASK gegen SK Puntigamer Sturm GrazLASKSK Puntigamer Sturm GrazSpiel startetMorgen17.00 Uhr
Tabelle Meistergruppe
Position | Team | Sp | S | U | N | T | Pt |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1. | ![]() | 23 | 18 | 4 | 1 | 52:13 | 30 |
2. | ![]() | 23 | 15 | 6 | 2 | 40:16 | 27 |
3. | ![]() | 23 | 10 | 9 | 4 | 40:30 | 20 |
4. | ![]() | 23 | 10 | 6 | 7 | 39:33 | 17 |
5. | ![]() | 23 | 10 | 3 | 10 | 35:29 | 16 |
6. | ![]() | 23 | 9 | 3 | 11 | 35:43 | 15 |
*) −3 Punkte wegen Lizenzverstößen.
Tabelle Qualifikationsgruppe
Position | Team | Sp | S | U | N | T | Pt |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1. | ![]() | 24 | 8 | 7 | 9 | 30:37 | 17 |
2. | ![]() | 24 | 9 | 4 | 11 | 36:38 | 17 |
3. | ![]() | 24 | 7 | 3 | 14 | 36:45 | 13 |
4. | ![]() | 24 | 5 | 6 | 13 | 23:44 | 12 |
5. | ![]() | 24 | 6 | 3 | 15 | 23:43 | 12 |
6. | ![]() | 24 | 4 | 6 | 14 | 16:34 | 9 |
*) −3 Punkte wegen Lizenzverstößen.
25. Runde
- Spielvorschau: SV Guntamatic Ried gegen WSG TirolSV Guntamatic RiedWSG TirolSpiel startetFreitag19.30 Uhr
- Spielvorschau: TSV Egger Glas Hartberg gegen Cashpoint SCR AltachTSV Egger Glas HartbergCashpoint SCR AltachSpiel startet15.04.202317.00 Uhr
- Spielvorschau: SC Austria Lustenau gegen RZ Pellets WolfsbergSC Austria LustenauRZ Pellets WolfsbergSpiel startet15.04.202317.00 Uhr
- Spielvorschau: FC Red Bull Salzburg gegen LASKFC Red Bull SalzburgLASKSpiel startet16.04.202314.30 Uhr
- Spielvorschau: SK Austria Klagenfurt gegen SK Puntigamer Sturm GrazSK Austria KlagenfurtSK Puntigamer Sturm GrazSpiel startet16.04.202314.30 Uhr
- Spielvorschau: SK Rapid Wien gegen FK Austria WienSK Rapid WienFK Austria Wien
QELLE : ORF.AT
WIRTSCHAFT
E-Bike-Umsatz knackt Milliardenmarke
Die Fahrradindustrie hat 2022 mehr als eine halbe Million Fahrräder an den Handel verkauft, etwa die Hälfte davon waren Elektroräder. 2022 wurde ein Umsatz von rund 1,39 Mrd. Euro verzeichnet, so der Verband der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs (VSSÖ). Der E-Bike-Umsatz knackte erstmals die Milliardenmarke.Online seit heute, 11.48 UhrTeilen
Eine „richtige Explosion“ habe es bei den E-Lastenrädern gegeben, sagte Holger Schwarting vom VSSÖ. Mit 506.000 in den Handel verkauften Fahrrädern hätten die Zahlen 2022 einen „historischen Step nach oben“ gemacht, so Hans-Jürgen Schoder von der Interessensvertretung der Fahrradindustrie (ARGE Fahrrad). Damit seien vergangenes Jahr um 3,2 Prozent mehr Fahrräder abgesetzt worden als 2021, wo rund 490.000 Fahrräder verkauft wurden.
Der Umsatz sei 2022 im Vergleich zum Vorjahr (gut eine Mrd. Euro) um 35,6 Prozent gestiegen und belief sich damit auf rund 1,39 Mrd. Euro. Der Trend gehe schon seit Jahren zu E-Bikes, und obwohl die Elektroräder nur knapp die Hälfte (49 Prozent) der verkauften Fahrräder ausmachten, seien sie vergangenes Jahr für 74 Prozent (plus 36 Prozent zu 2021) des Umsatzes der Radindustrie verantwortlich gewesen.
Deutlich mehr E-Bikes verkauft
Erstmals habe der Umsatz der E-Bikes die Milliardenmarke erreicht, das sei vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen, so Schoder.
2022 seien knapp 247.000 E-Bikes in den Handel gegangen und damit um elf Prozent mehr als im Jahr zuvor. Zunehmend beliebter würden vor allem E-Lastenräder werden. „Der Markt für E-Transportfahrrad-Händler hat sich das zweite Jahr in Folge verdoppelt“, so Schwarting.
Diese würden sich zwar zahlenmäßig mit rund 4.200 verkauften Lastenrädern 2022 auf niedrigem Niveau bewegen, das Potenzial sei aber besonders im urbanen Raum groß, damit komme man „vom Auto weg“, so Schoder. Von 2021 auf 2022 hätte sich die Zahl der verkauften E-Lastenräder fast verdoppelt (plus 89 Prozent).
Durchschnittspreise gestiegen
Der durchschnittliche Preis pro Rad sei 2022 zum Vorjahr (2.095 Euro) um fast ein Drittel auf 2.751 Euro angestiegen. Das liege teilweise an der Inflation, habe aber auch damit zu tun, „dass die Menschen hochwertigere Fahrräder kaufen, mehr Zubehör kaufen, teilweise die Fahrräder upgraden“, erläuterte Schwarting. Außerdem würden die Menschen auch durch Förderangebote auf teurere Fahrräder zurückgreifen.
Für 2023 rechne man mit einer Stabilisierung des Markts und etwa gleichbleibenden Stückzahlen. „Wir haben einen guten Start in die Saison gehabt“, so Schwarting. Gründe dafür seien ein relativ milder Winter und nach einem liefertechnisch schwierigen Jahr 2022 „sehr viel Ware im Markt“.
red, oesterreich.ORF.at/Agenturen
Link:
QELLE : ORF.AT
Stadtplanung
Großbaustellen, die Wien zu Wien machten
Großbaustellen, die Wien zu Wien machten teilenZeitgeschichteKulturÖsterreichGeschichte
23. Februar 2022, 12:00 UhrDieser Beitrag ist älter als ein Jahr
Was gibt es Spannenderes, als Baustellenschauen? Das kann man jetzt am Baustellenzaun – und zwar in doppelter Hinsicht: Das Wien Museum zeigt am Rande der eigenen Baustelle großformatige Luftaufnahmen von den wichtigsten Baustellen der Wiener Nachkriegsmoderne, wie etwa jenen der Wiener Stadthalle, der UNO-City, des Wohnparks Alterlaa und der Donauinsel. Der Bauboom von damals erinnert an jenen von heute.Simon Hadler
Aber was ist eigentlich so toll an Baustellen, warum können so viele Menschen nicht an ihnen vorbeigehen, ohne zumindest verstohlen zu gaffen? Sandor Bekesi, einer der beiden Kuratoren der Ausstellung, erklärt sich das im Interview mit ORF.at so: Baustellen, gerade bei Großprojekten, seien eine Störung, sie würden Veränderung bedeuten. Und dann all die gewaltigen Maschinen, die man so noch nie gesehen habe!
Gerade nach dem Krieg veränderte sich die Stadt, sie wurde zweigeteilt. Hier die Gründerzeitviertel, dort die Per-Albin-Hansson-Siedlung, die Großfeldsiedlung, der Rennbahnweg, der Wohnpark Alterlaa. Die Bausubstanz der Gründerzeithäuser verfiel, das Alte verlor an Attraktivität. Diese gravierende Änderung im Stadtbild wollte man sehen. Oder die Bagger, die die Donauinsel schaufelten. Oder die größte Baugrube Europas am Wiener Karlsplatz. Für solche Megabaustellen gab es schon damals – wie zuletzt in Wien beim Bau des Hauptbahnhofs – eigene Türme zum Beobachten. Die Baustellen waren echte Attraktionen.01:54
Die Baustelle der Wiener Stadthalle
Stadtentwicklung im Zoom
Aber die Ausstellung widmet sich nicht nur der Lust am Schauen. Initiiert wurde sie vom Stadt- und Umwelthistoriker Friedrich Hauer, der zuvor auf die spektakulären Schrägluftaufnahmen gestoßen war. Während Bilder von oben einen Stadtplancharakter vermitteln, sieht man in der Schräge etwas von den Gebäuden, man zoomt sich in eine 3D-Landschaft und kann viele Details erkennen, vor allem bei den riesigen Blow-ups am Baustellenzaun des Wien Museums. Dort sind auch analytische „Lesehilfen“ der Stadt in die Bilder eingeschrieben.
Schnell ist klar: Es gibt Phasen, in denen eine Stadt regelrecht geformt wird. Die Gründerzeit im 19. Jahrhundert, deren Bauten bis heute die Innenstadtbezirke Wiens und Teile der Außenbezirke prägen, war so eine Zeit. Und auch die Wirtschaftswunderjahre nach dem Zweiten Weltkrieg schrieben sich tief in die Stadt ein. So wie auch heute das Stadtbild der Zukunft geprägt wird. Solche Phasen haben etwas gemeinsam: Es passt der Mix aus wirtschaftlichen und politischen Faktoren: Das Geld ist da, die Zinsen stimmen – und die politische Situation.01:08
Die Baustelle der UNO-City
Die Stadt wurde dem Auto untertan gemacht
Auch die Demographie und die gesellschaftliche Großwetterlage müssen passen. Während der Gründerzeit wuchs die Stadt aufgrund des Zuzugs. Und in den Wirtschaftswunderjahren wurde sie dem Auto untertan gemacht. Bekesi erzählt, dass viel von dem, was damals gebaut wurde, dazu diente, dem Autoverkehr freie Bahn zu verschaffen. Der Praterstern etwa. Und auch die unterirdische Karlsplatz-Passage müsse man nicht als Baujuwel verklären. Sie sollte die Fußgänger von der Oberfläche verbannen, genauso das „Jonas-Reindl“ am Schottentor.
Anderes wiederum war Symbol für die Aufbruchsstimmung, wie etwa die Wiener Stadthalle des Architekten Roland Rainer, mit der die Verantwortlichen zeigen wollten, wie modern die Stadt sein kann. Oder die Donauinsel, an der man Details kritisieren kann – die aber Wien erstens effektiv vor Hochwasser schützt und zweitens, wie Bekesi betont, als Naherholungsgebiet für die Menschen in Wien bis heute wichtig geblieben ist.01:01
Die Baustelle der Donauinsel
Viel radikaler hätte man den Stadtraum damals neu definieren können, so Bekesi, aber dafür hätten der Mut und der politische Wille gefehlt. Man hätte auch eine Ausstellung darüber machen können, was damals alles gerade nicht gebaut wurde. Und von dem, was umgesetzt wurde, habe sich manches bewährt, und manches eben nicht, manches wurde rückgängig gemacht. Von der Wiedner Hauptstraße zur Oper kann man heute wieder oberirdisch gehen – so wie man auch die Ringstraße beim Schottentor wieder überqueren kann, ohne unter der Erde verschwinden zu müssen.
Was bleibt – und was nicht
So wie wir heute auf damals zurückblicken – kritisch und mit Distanz – wird auch auf den beispiellosen Bauboom der heutigen Zeit zurückgeblickt werden: von den Hochhausprojekten auf der Donauplatte über das Sonnwendviertel und die Seestadt bis hin zum Heumarkt-Projekt und den neuen Bauten entlang des Donaukanals. Schon jetzt etwa würde bei der Seestadt darüber diskutiert werden, ob die anfänglich gar nicht so geplante Verdichtung eine so gute Idee war und die Stadt in der Stadt als solche wirklich gut funktioniere.
Und schon jetzt, so Bekesi, sei absehbar, dass man in Zukunft beim Blick auf das eine oder andere Hochhaus die Hände über dem Kopf zusammenschlagen wird. Welche genau er meint, möchte er nicht sagen. Aber: Da sei einiges ausgeufert in letzter Zeit, da werde man noch einiges bereuen. Anderes wieder werde auch noch in 40 Jahren „super funktionieren“. Möge der Anteil derer, die im Rückblick vieles „super“ finden, höher sein als der Anteil jener, die die Nase rümpfen über die 10er und 20er Jahre des 21. Jahrhunderts.
Simon Hadler, ORF Topos
Link:
- „Stadt Luft Bild“ (Ausstellung im Wien Museum)
v1.0.4-production (04. April 2023, 12:05:59)
QELLE : ORF.AT
Trockenheit
Wasserkreislauf gerät außer Tritt
Wasserkreislauf gerät außer Tritt teilenUmweltKlimakriseNachhaltigkeit
02. April 2023, 06:00 Uhr
Die vergangenen Jahre haben in einigen Teilen Österreichs zu wenig Schnee und Regen gebracht. Der Grundwasserspiegel ist mancherorts auf einem historischen Tief angelangt, etwa in der Marktgemeinde Zillingdorf (NÖ) (siehe Video). Diese Trockenphase lässt sich nicht direkt mit dem Klimawandel erklären. Indirekt verändert sich mit der Erwärmung aber der globale Wasserkreislauf, und das betrifft auch Österreich.Ruth Hutsteiner
„Es ist absehbar, dass die Grundwassersituation heuer so bleibt oder sogar schlechter wird. Es sei denn, es wird jetzt im Frühling und Sommer überdurchschnittlich feucht“, sagt Roman Neunteufel, Wasserexperte von der Universität für Bodenkultur Wien, mit Blick auf die nächsten Monate. Der Grund für diese Aussage: Es ist in manchen Regionen Österreichs zu trocken, die Grundwasserstände haben ein historisches Tief erreicht, und der Zeitraum, in dem sich Grundwasser normalerweise bildet, ist fast vorbei.
Grundwasser, und damit Trinkwasser und Spritzwasser für die Landwirtschaft, wird nämlich hauptsächlich durch den Niederschlag im Winter gebildet. Sobald die Pflanzen sprießen, nehmen sie einen erheblichen Teil des Regens auf und das Wasser verdunstet, ehe es im Boden versickern kann.Hydrographischer Dienst Österreich/Landwirtschaftsministerium/OpenStreetMap
- sehr hoch
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Grundwasserstand per 31.3.2023, mehr Informationen bei Klick oder Touch
Mancherorts haben die kühlen Monate, November bis März, den notwendigen Regen und Schnee nicht gebracht. Vielmehr hat sich die Trockenheit des vergangenen Jahres fortgesetzt. „Im Wiener Becken, dem nördlichen Burgenland bis hin zum Schneeberg gab es seit Jänner 2022 gut ein Drittel weniger Niederschlag als im Durchschnitt“, erklärt Alexander Orlik von GeoSphere Austria gegenüber ORF Topos. In Unterkärnten waren die zwei letzten Jahre zusammen so trocken wie in den vergangenen 200 Jahren nur selten.
Grundwasserpegel in 60 Prozent der Fälle zu niedrig
Der Niederschlagsmangel spiegelt sich auf der Grundwasserkarte wider. Aktuell ist der gemessene Pegel in 60 Prozent der Fälle zu niedrig. Im Burgenland standen Mitte März 22 von 25 Messstellen auf orange oder rot. „In Wr. Neustadt ist der Grundwasserstand sogar so niedrig wie noch nie in den vergangenen 100 Jahren“, so Neunteufel.
Dass es in einigen Regionen Österreichs zu wenig geregnet und geschneit hat, lässt sich aber nicht direkt durch den menschengemachten Klimawandel erklären. „Der Niederschlag in Österreich ist regional von starken Schwankungen geprägt. Auf sehr trockene Jahre können auch wieder sehr feuchte Jahre folgen. Bisher hat sich die Menge des Niederschlags regional kaum verändert“, so Orlik. Einzig im Südosten Österreichs nehmen Regen und Schnee seit Jahrzehnten sukzessive ab und die Trockenheit zu.

debatte.ORF.at: Welche Auswirkungen der Klimakrise sind schon spürbar?
Je wärmer die Luft, desto weniger Feuchtigkeit im Boden
Nichtsdestotrotz wirkt sich die Klimaerwärmung erheblich auf den Wasserhaushalt aus und verstärkt Trockenperioden wie diese – und zwar schon heute. So wachsen Pflanzen mit steigenden Temperaturen früher und länger. „Sobald die Vegetation aktiv wird, beginnen die Pflanzen auch Wasser zu verdunsten. Je länger die Vegetationsperiode ist, desto stärker verkürzt sich der Zeitraum, wo effektiv neues Grundwasser gebildet wird“, erläutert der Klimaforscher Klaus Haslinger von GeoSphere Austria.

Auch die Atmosphäre wird mit der Erwärmung durstiger und entzieht dem Boden zusätzlich Feuchtigkeit. „Die Fähigkeit der Luft, Wasserdampf aufzunehmen, steigt exponentiell mit der Temperatur. Das heißt, mit jedem Grad Erwärmung kann die Luft sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen. Bei Gewitter sind es sogar 14 Prozent. Je wärmer es also ist, desto mehr Feuchtigkeit wird dem Boden entzogen“, erklärt Marc Olefs, Leiter der Klimaforschung der GeoSphere Austria.
Prognose von Regen- und Schneemengen komplex
In den Messdaten zeichnet sich zudem eine weitere ungünstige Entwicklung ab: Es gibt immer mehr Tage mit starken Niederschlägen. Seit den 2000er Jahren haben Wetterlagen mit Unwetterpotenzial um etwa 20 Prozent zugenommen. „Das bedeutet, es gibt längere Niederschlagspausen, weniger leichte Niederschläge im Sommerhalbjahr, aber gleichzeitig mehr intensivere Regenfälle, bei denen der Boden das Wasser dann eigentlich gar nicht aufnehmen kann“, erläutert Olefs.
Positiv für die Grundwasserneubildung könnte wiederum sein, dass Modellen zufolge die Niederschläge im Winter im alpinen Raum generell mehr werden und im Sommer tendenziell weniger. „Zwar sehen wir diesen Trend in der Schweiz bereits, in Österreich im Moment aber noch nicht“, gibt Olefs zu bedenken.
Grundsätzlich gibt es bei der Frage, wie viel es in Zukunft regnen und schneien wird, noch erhebliche Unsicherheiten. „Die Unsicherheiten sind größer als bei der Temperatur. Das liegt schon einmal daran, dass es einige Messfehler beim Niederschlag gibt, die jetzt bei der Temperatur nicht so gravierend sind.“ Darüber hinaus sind die Mechanismen hinter Regen und Schnee, so Olefs, komplexer als jene, die die Temperatur verändern. „Deshalb sind die Erkenntnisse aus den Klimasimulationen beim Niederschlag weniger belastbar als bei der Temperatur.“ Das überträgt sich auf die Grundwasserprognosen, die aus heutiger Sicht noch kein klares Bild zeigen.
Regional Engpässe möglich
Was wir aber sicher wissen, erklärt Neunteufel. Es wird nicht nur wärmer und dadurch trockener. Der Wasserverbrauch werde auch steigen: „Einerseits weil die Bevölkerung wächst, und andererseits weil mit den steigenden Temperaturen pro Kopf mehr Wasser verbraucht wird. Drittens wird auch die Landwirtschaft mehr Wasser verbrauchen.“
Regional wird es außerdem auch in Zukunft Phasen wie heute geben, in denen es über Monate und Jahre durchschnittlich zu wenig regnet, betont der Klimaforscher Haslinger. „Wir müssen uns für solche Ereignisse in Zukunft besser wappnen, denn mit zunehmender Klimaerwärmung werden auch solche Trockenperioden größere Herausforderungen und Konflikte mit sich bringen.“
In Regionen wie dem Nordburgenland könnte es aufgrund der anhaltenden Trockenheit der vergangenen Jahre schon in diesem Sommer zu Engpässen und damit zu Einschränkungen kommen. „Der Wasserbedarf in den Haushalten ist natürlich auch in einem heißen, trockenen Sommer gesichert. Es kann aber sein, dass auf die Gartenbewässerung oder das Füllen von Pools verzichtet werden muss“, erklärt Helmut Herlicska, Technischer Betriebsleiter vom Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland.
Dort versucht man sich auf eine ungünstige Grundwasserentwicklung vorzubereiten. „Einerseits bauen wir Verbindungsleitungen zu anderen Wasserversorgern, um uns gegenseitig auszuhelfen. Andererseits suchen wir nach neuen Grundwasserressourcen in der Region“, so Herlicska.

Science: Was man gegen Wassermangel tun kann
Handlungsmöglichkeiten: Entsiegelung und Wasserrechtsmanagement
Um künftig verheerende Engpässe zu vermeiden, empfehlen Fachleute wie Neunteufel zudem, Böden zu entsiegeln, damit Wasser großflächiger versickern kann und nicht über den Beton abfließt. Außerdem „muss man jetzt in manchen Regionen auch vorsichtig sein, welche Wasserrechte auf welche Dauer noch erteilt werden. Ziel muss es ja sein, die nachhaltige Wassernutzung für alle Bereiche in Zukunft zu ermöglichen“, so Neunteufel.
Letztlich sei die weitere Entwicklung des Wasserhaushalts aber wesentlich davon abhängig, so der Wasserexperte, wie sehr es global gelingt, die Klimaerwärmung zu bremsen. „Je besser wir es schaffen, desto eher bleibt die Wassersituation in Österreich in etwa so wie jetzt.“
Ruth Hutsteiner (Text und Video), TV-Wissenschaft, Sandra Schober (Daten), ORF.at, Kafeela Adegbite (Schnitt), für ORF Topos
Links:
- eHyd Grundwasserstände
- Wasserschatzstudie Österreich
- Klimafakten Österreich (GeoSphere Austria)
- Klimaszenarien für Österreich (BMK)
v1.0.4-production (04. April 2023, 12:05:59)
QELLE : ORF.AT
„Braunes Leder“
Österreichs Fußball und das „Dritte Reich“
Österreichs Fußball und das „Dritte Reich“ teilenZeitgeschichteSportWissenschaft
Online seit gestern, 11:07 Uhr
Skifahren und Fußball waren schon in den 1930er Jahren österreichische Nationalsportarten. Im Fußball war Österreich durch das „Wunderteam“ Anfang der 30er eine Macht. Doch mit dem Ständestaat und letztlich mit dem „Anschluss“ 1938 änderte sich alles. Jüdische Spitzensportler und Funktionäre wurden verfolgt oder ermordet, die „arischen Sportler“ dagegen als Draufgänger inszeniert.Gerald Heidegger, Robert Gokl
Mit der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich wurden auch die Sportverbände in den NS-Reichsbund für Leibesübungen überführt. Symbolisch vollzogen wurde der „Anschluss“ mit einem „Versöhnungsspiel“ am 3. April 1938, eine Woche vor der Volksabstimmung, mit der die Bevölkerung den Einmarsch der Deutschen vom 12. März 1938 bestätigen sollte.
Die politischen Umwälzungen hatten den österreichischen Sport, nicht zuletzt den Fußball, sofort erfasst. Fußball hatte eine hohe propagandistische Bedeutung für das NS-Regime. Jüdische Vereine wie etwa der SC Hakoah mussten ihre Vereinstätigkeit sofort einstellen, jüdische Spieler und Funktionäre sahen sich noch im März 1938 aus ihren Vereinen ausgeschlossen. Der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) löste sich am 28. März de facto auf und trat aus dem Fußballweltverband (FIFA) aus.
Deshalb findet sich die Begegnung vom 3. April 1938, „Gau Österreich“ gegen „Deutsche Reichsmannschaft“, auch in keiner Länderspielstatistik. Für die Nazis sollte das Versöhnungsspiel, das als „Anschlussspiel“ in die Erinnerungskultur einging, ein Signal für die Volksabstimmung werden. Der Kärntner NS-Funktionär Friedrich Rainer wurde als „Sportführer“ mit der Organisation des Spiels betraut.
Die Pikanterie dabei: Rainer war gleichzeitig auch Leiter des Wahlorganisationsamtes und damit für die Abwicklung der Volksabstimmung verantwortlich. Zwar war im Vorfeld der positive Ausgang der Abstimmung gewiss. Doch jeder Prozentsatz gegen den „Anschluss“ hätte für das NS-Regime als Gesichtsverlust interpretiert werden können. Die Fußballbegegnung sollte eine Form der Wahlwerbung sein. So marschierten vor dem Spiel die beiden Wiener Aktiven Otto Marischka und Rudolf Zöhrer mit einem Transparent mit der Aufschrift „Sportler stimmen mit ‚Ja‘“ aufs Feld.
Bei der Weltmeisterschaft im Juni in Frankreich sollten die deutschen und österreichischen Spieler unter der Führung von Sepp Herberger „vereint“ auf den Platz laufen. Am 3. April sah man ein „deutsch-österreichisches“ Team in Rot-Weiß-Rot auf den Platz laufen – allen voran ein Matthias Sindelar, der mit dem Match sein Comeback gab. War die erste Hälfte so etwas wie das Vorspiel zur „Schande von Gijon“ 1982, wo kein Team dem anderen ein Tor zu schießen drohte und Österreich die erarbeiteten Chancen diplomatisch vergab, riss in der zweiten Hälfte das vorgegebene Freundschaftsband: Sindelar erzielte in der 62. Minute das erste Tor. Acht Minuten später traf Karl Sesta aus einem Freistoß zum 2:0-Endstand für die Österreicher.

Verklärungen nach 1945
Nach 1945 hat eine Verklärung des Spiels stattgefunden, die an die Absetzbewegung Österreichs von einer deutschen Identität erinnert. So wertete man die Trikotwahl der Österreicher mit rot-weiß-rot, auf der dem Vernehmen nach Sindelar bestanden haben soll, als widerständigen Akt. Dass man schon davor in dieser Farbwahl aufgetreten war, wird gerne übersehen. Dass man den Ausgang des Spieles diktiert habe, ist historisch nicht belegbar. Auch der Torjubel von Sindelar beim 1:0 als widerständiger Akt verdankt sich doch mehr einer Verklärung.
Im Juni 1938 gehörten neun „Österreicher“ dem 22-Mann-Kader der deutschen Nationalmannschaft in Frankreich an, die schon im Achtelfinale gegen die Schweiz ausschied. Auch in der Folge wurden immer wieder „österreichische“ Spieler in die reichsdeutsche Nationalmannschaft einberufen. Bis zur Einstellung des deutschen Länderspielverkehrs im Jahr 1942 kam Spitzenreiter Wilhelm Hahnemann auf 23 Einsätze und erzielte dabei 16 Treffer.

Der Fußball und die Kriegspropaganda
Nachdem die NS-Führung mit dem Angriff auf Polen den Zweiten Weltkrieg begonnen hatte, bekam der Fußball besondere Bedeutung: als Ablenkung vom Frontgeschehen, als „Pausenraum“ im Krieg. Die eruptiven Emotionen auf dem Spielfeld und den Zuschauerrängen wurden aber von der Gestapo argwöhnisch beobachtet. Das Fußballstadion war einer der wenigen Orte im „Dritten Reich“, an dem spontanes, undiszipliniertes Verhalten möglich war. Fußballrandale und Platztumult können daher auch als vorpolitischer Widerstand im NS-Zwangssystem gedeutet werden.
Dabei spielten immer wieder Spannungen und Reibereien zwischen Mannschaften aus dem „Altreich“ und der „Ostmark“ eine Rolle. Auch nach dem „Anschluss“ wollten vor allem Wiener Mannschaften die Überlegenheit ihrer „Ballzauberei“ demonstrieren. Höhepunkt dieser Rivalität war das Spiel um die deutsche Meisterschaft 1941 zwischen Rapid Wien und Schalke 04. Einmalig in der deutschen Fußballgeschichte wurde eine österreichische Mannschaft deutscher Meister. Rapid lag bis zur 60. Minute 0:3 im Rückstand und gewann doch noch mit einem Treffer von Georg Schors und einem Hattrick von Franz ‚Bimbo‘ Binder mit 4:3.
Am Spieltag, dem 22. Juni 1941, hatte das „Dritte Reich“ die Sowjetunion überfallen, das Spiel im Berliner Olympia-Stadion fand unter Flak-Schutz statt, die meisten Spieler der Rapid-Mannschaft waren bereits zur Wehrmacht eingezogen worden.
„Braune Bretteln, braunes Leder“
Martin Betz ist für die neue „Menschen & Mächte“-Dokumentation „Braune Brettln, braunes Leder“ auf Spurensuche gegangen: auf die Fußballplätze in Wien und die Skipisten von Kitzbühel und St. Anton, aber auch zu den versteckten Plätzen der Flucht und den verdrängten Orten von Verbrechen, bis nach Frankreich, Holland und Griechenland.
Die Doku ist am Dienstag, 4.4.2023, um 22.30 Uhr in ORF2 und danach in tvthek.ORF.at zu sehen.
Die Rolle der großen Wiener Vereine
Mit „Braune Brettln, braunes Leder“ schaut eine Dokumentation auf die Folgen des Rassismus auf Fußballplätzen. Der Fokus liegt dabei nicht zuletzt auf den Wiener Leitvereinen Rapid und Austria. Emanuel „Michl“ Schwarz, der Austria-Präsident der Zwischenkriegszeit, wurde wie der gesamte jüdische Vorstand des Vereins seines Amtes enthoben und musste aus Wien flüchten. Im besetzten Frankreich wurde er schließlich doch verhaftet.
„Mein Großvater hatte das Riesenglück, dass in dem Anhaltelager, in dem er interniert war, der Kommandant ein Fußballfan war. Der hat ihn erkannt und ihm zur Flucht verholfen“, erzählt sein Enkel Thomas Schwarz. Danach wurde Schwarz jahrelang von dem ebenfalls im Untergrund lebenden Hakoah-Spieler Friedrich Donenfeld in der Nähe von Paris versteckt.
„Arische“ Spieler wie Sindelar und Karl Sesta dagegen wurden nach der Abschaffung des Profisystems mit arisierten Kaffeehäusern oder Bäckereien versorgt. Deren jüdische Vorbesitzer hatte man deportiert und ermordet. Als Meister der Improvisation entpuppte sich Binder, der dreifache Torschütze beim 4:3-Sieg Rapids über Schalke Westfalen beim Endspiel um die großdeutsche Meisterschaft 1941. „Um dem Kriegsdienst in Russland zu entgehen, hat sich mein Vater den gesunden Blinddarm herausoperieren lassen“, berichtet sein Sohn Franz Binder jun.
Am Tag des Endspiels um die deutsche Meisterschaft wurde ja die Sowjetunion vom „Dritten Reich“ überfallen. Binder wurde nach dem Titel wieder eingezogen und in der Folge an die Ostfront geschickt. Die Schalker Spieler, so erinnert sich sein Sohn, habe man damals nicht an die Ostfront geschickt. Auch für den jetzigen Präsidenten von Rapid, Alexander Wrabetz, ist deutlich, dass man sich im „Dritten Reich“ eher einen Sieg von Schalke im Endspiel um die deutsche Meisterschaft erwartet hätte.
Umgang mit der Geschichte: Vom Präsidium bis zur Fanszene
„Schalke“, so Wrabetz gegenüber ORF Topos, „hat ja Ähnlichkeiten mit Rapid. Auch Schalke ist ein Arbeiterfußballclub, und auch bei Schalke sind jene Spieler, die dem politischen System nicht passten, rasch entfernt worden.“ Eine besondere Widerstandshandlung in dem Sieg von Rapid, wie man das später gerne hineininterpretiert habe, könne man nicht sehen. Ihm sei wichtig, dass man gerade Brüche und Kontinuitäten bei Rapid vom Ständestaat hinein in die Nazi-Zeit betrachte. Und da gebe es für Rapid eben auch jene, die verfolgt und ermordet worden seien – und jene, die mitgelaufen seien.
Zentral ist das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus im Feld von Rapid, weist Wrabetz auf die Aufarbeitungsbemühungen zur NS-Zeit unter dem früheren Präsidenten Rudolf Edlinger hin. Jedes Jahr gedenke Rapid am Auschwitz-Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus, erinnert Wrabetz nicht zuletzt an die Rolle des Rapid-Namensgebers Wilhelm Goldschmidt, der 1942 von den Nazis deportiert und ermordet worden sei. Er selbst habe sich vorgenommen, historisch vor allem die Rolle von Rapid in der Zeit der Ständestaat-Diktatur anzuschauen.
Auch seitens der Rapid-Fankurve gibt es zum Meistertitel eine klare Meinung. Der Sieg von damals solle „die historische Anerkennung bekommen, die er verdient“, kann man seit 2016 bei den Rapid-Ultras lesen: „1941 konnte Rapid eine Meisterschaft gewinnen, die sich von allen anderen gewonnen Meistertiteln deutlich unterscheidet. Erstens herrschte Krieg, zweitens gab es keine österreichische Liga. Die österreichischen Vereine, die nicht aufgelöst bzw. verboten wurden, spielten im nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen um die deutsche Meisterschaft mit. […] Für uns ist klar, dass dieser große Erfolg die historische Anerkennung bekommen soll, die er verdient. Ebenso klar ist aber, dass man das nicht unkommentiert tun kann und viele Dinge, die in direktem Zusammenhang mit diesem großen Erfolg stehen, ebenfalls in Betracht ziehen muss. Wir dürfen all die Rapidler nicht vergessen, die von den Nazis verschleppt und ermordet wurden. Rapidler wie Wilhelm Goldschmidt, Namensgeber unseres Vereins, der Mann, wegen dem Rapid Rapid heißt, der in einem KZ sein Leben lassen musste. Oder Fritz Dünnmann, Rapid-Spieler, der in Ausschwitz starb.“
Martin Betz (Doku, Video), für ORF Topos, Robert Gokl (Video und Text), für ORF Topos, Gerald Heidegger (Text), ORF Topos, Max Meissl (Kamera), Peter Krieg (Schnitt), Elke Rittenschober (Schnitt), für ORF Topos
Links:
- Menschen und Mächte
- Rapid unterm Hakenkreuz (science.ORF.at)
- Domenico Jacono: Rapid, Deutscher Meister. Eine kritische Würdigung
- Historischer Hintergrund zum Versöhnungsspiel
- Austria Wien und der Nationalsozialismus
- Geschichte der Austria im Nationalsozialismus (science.ORF.at)
v1.0.4-production (04. April 2023, 12:05:59)
QELLE : ORF.AT
„Sisi & ich“
Im Dienst der Hardcore-Kaiserin
Im Dienst der Hardcore-Kaiserin teilenGeschichteKritikFilm
31. März 2023, 10:52 Uhr
Noch eine Sisi? Oh ja: Frauke Finsterwalders überspitzte Komödie „Sisi & ich“ schildert Kaiserin Elisabeth von Österreich aus dem Blickwinkel ihrer verliebten Hofdame Irma (Sandra Hüller). Ohne Rücksicht auf historische Details, dafür mit umso mehr Augenmerk aufs Zwischenmenschliche, ist diese Sisi ein grausamer, manipulativer und unwiderstehlich charmanter Superstar.Magdalena Miedl
„Und jetzt kommen die Sprünge.“ Als dieser Befehl kommt, ist Irma Gräfin Sztáray (Hüller) eigentlich schon fix und fertig, nach tagelanger Anreise mit Bahn und Boot von Wien nach Korfu. Viel zu warm ist sie gekleidet, viel zu eng ihre Schuhe. Doch die Kaiserin will sehen, wie fit ihre neue Hofdame ist. Also rennt Irma auf Geheiß des kaiserlichen Kammerdieners Runden, noch bevor sie einen Schluck Wasser bekommt, springt über Hürden, als wäre sie ein müdes Dressurpferd. Mangelnde Ergebenheit ist nämlich Kündigungsgrund im Job als Hofdame.
In lakonisch-drastischem Tonfall schildert „Sisi & ich“ die letzten Lebensjahre der Kaiserin Elisabeth, die damals der „größte Popstar ihrer Zeit“ war, wie Regisseurin Finsterwalder sagt. Zu Lebzeiten war die Kaiserin Projektionsfläche für die Massen, nach ihrem Ableben Anlass für Theaterstücke, Filme, Romane und Musicals. Bis in die Gegenwart ist sie so vertraut, dass man über sie auf Spitznamenbasis spricht, selbst das Sisi-Museum nutzt den Kosenamen als offizielle Bezeichnung.

In dieser Gemengelage, geprägt vor allem durch die „Sissi“-Trilogie von Ernst Marischka um die makellos niedliche Romy Schneider und ihr Leiden im schönbrunnergoldenen Käfig des Habsburger Hofzeremoniells, sind nun in den letzten Jahren einige Filme und Serien entstanden. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Figur des filigranen Mädchens in der Zwangsjacke eines Luxusambientes ewig fasziniert, von der Prinzessin auf der Erbse über Marilyn Monroe bis zu Diana Spencer.
Die vielen fiktiven Facetten der Kaiserin
Sisi-Fernsehserien, -Romane und -Filme feiern fröhliche Urständ, wobei nicht wenige einen dezidierten Gegenentwurf zum zerbrechlichen Klischee versuchen. Das gerät sehr unterschiedlich feministisch-progressiv, von der skandalös masturbierenden Teenagerin in der Serie „Sisi“ über Thomas Brezinas ermittelnde Kaiserin in „Sisis schöne Leichen“, Karen Duves akribisch recherchierten Roman „Sisi“ über die ältere Kaiserin als manische Reiterin und manipulative Arbeitgeberin bis hin zu Marie Kreutzers „Corsage“, wo schon der Titel die Enge ins Zentrum stellt und der Film am Beispiel der Kaiserin auch vom gesellschaftlichen Korsett der Jederfrau erzählt.
Nun also gibt es da noch eine Version der Kaiserin, in einem Film, den die Welt überraschenderweise tatsächlich gebraucht hat, und in dem die exzentrischen Selbstkasteiungsgewohnheiten der Kaiserin im Vordergrund stehen. Dieses neue Werk abgekoppelt von all den anderen royalen Prinzessinnen- und Kaiserinneninszenierungen der letzten Jahre zu sehen, etwa Pablo Larrains „Spencer“ und Dianas drastisch inszenierter Anorexie, ist unmöglich, „Sisi & ich“ ist nolens volens Teil einer Gesamterzählung.
Horror, Komödie und Ironie
Finsterwalder aber drehte ihren Film, ohne zunächst von „Corsage“ zu wissen. Dass er nun auch als eine Art Fortsetzung zu Kreutzers Film gelesen werden kann und beide Filme auf sehr unterschiedliche Weise zu einem ähnlichen Schluss kommen, macht die Sache zusätzlich reizvoll. Und dass in Finsterwalders Film genau jene Episode um eine Jagd in England prominent vorkommt, die im kollektiven österreichischen Gedächtnis wenig präsent ist, mit der aber Duves Sisi-Roman einsetzt und deren Kontext auch in „Corsage“ eine Rolle spielt, ist zumindest kurios.

„Sisi & ich“ zeigt die Kaiserin als erbarmungslose Frau in einer Drastik, wie es noch keiner der bisherigen Filme getan hat, in einem vor allem zu Beginn trügerisch sommerlichen Ambiente des Achilleion auf Korfu (gedreht wurde auf Malta und in der Villa Kattus in Wien), das Elisabeth sich als Refugium fern der Residenzstadt hat bauen lassen. Die Handlung ist immer aus dem Blickwinkel der Hofdame Irma geschildert, als frisch rekrutierter Begleiterin für die Kaiserin, heute würde man sagen, als „Personal Assistant“, die wehrlos der Anziehungskraft von Elisabeth verfällt.
Die Szenen ganz zu Beginn des Films, in denen Irma einem genauen Check unterzogen wird, sind hart an der Grenze zum Kabarett. Die unverheiratete Irma wird da von ihrer strengen Mutter in die Hofburg gebracht, ein kleiner Konflikt zwischen den beiden Frauen eskaliert zum Slapstick und endet mit einer blutigen Nase für Irma, und schon ist klar: Satirische Übertreibung ist diesem Film nicht fremd. Es ist genau jenes Schauspielgenre, in dem Hüller („Toni Erdmann“) immer ganz besonders glänzt, wie Finsterwalder ihr gegenüber ORF Topos attestiert: „Wie keine andere in Deutschland hat sie das Talent, Komödie und Horror zu verbinden, Ironie und auch etwas Kindliches. Ohne Sandra Hüller hätten wir diesen Film gar nicht drehen können.“
Liebe als pure Fantasie
Als Irma eintrifft auf Korfu, wo die Kaiserin ausschließlich in Gesellschaft anderer Frauen lebt, mit nur einem männlichen Diener (Stefan Kurt) in ihrer Entourage, mutet das Drumherum zunächst zwar nach Hippie-Kommune an. Der kaiserliche Umgang könnte aber kaum ausbeuterischer sein. Zwar holt Sisi Irma ganz in ihre Nähe, spielt sie gegen ihre bisherige Favoritin (Sophie Hutter) aus, schimpft mit ihr über den Kaiser (Markus Schleinzer) und holt sie zu Gelagen mit ihrem lebenslustigen Schwager Luziwuzi (Georg Friedrich), aber echte Freundschaft oder gar Liebe ist das Ganze höchstens in Irmas Fantasie.
Diese Elisabeth, die Susanne Wolff („Styx“) mit Charme und niederschmetternder Grausamkeit spielt, ist ein drastischer Gegenentwurf zur lieblichen Marischka-Sissi, deren wesentliche Motivation darin bestand, dass es allen gut geht. Eine erste Neuinterpretation der Figur war Romy Schneider selbst 1973 in Luchino Viscontis Kossalepos „Ludwig II.“ gelungen, wo sie ihre Kultrolle konterkarierte. Für Finsterwalder waren aber tatsächlich die „Sissi“-Filme Anlass für ihr Interesse an der Figur, wie sie sagt: „Als Teenager fand ich diese Filme ganz schrecklich, aber als ich sie jetzt wiedergesehen habe, fand ich sie eigentlich toll.“

Die ältere Sisi reizte Finsterwalder, „weil ich interessant fand, dass sie dann wirklich weg war von ihrem Mann und den Kindern. Es gibt ja Vorwürfe an Frauen, wenn sie sich nicht um die Familie kümmern, und ich fand faszinierend, dass ihr das egal war und dass sie sich am Ende ihres Lebens ziemlich befreit hat von allem, auch von Dingen, die man traditionell erwartet von einer Frau, der Ehe und so weiter.“
Die erfundene Hofdame
Die Perspektive der Hofdame Irma auf die Kaiserin, die im Film in ihrem Freiheitsdrang und ihren Launen gnadenlos ist, ist nur dem Namen nach historisch. Zwar hieß jene ungarische Hofdame, die die Kaiserin in ihren letzten Lebensjahren begleitete und auch bei dem tödlichen Attentat am 10. September 1898 anwesend war, tatsächlich Gräfin Sztáray, die Film-Irma aber sei „komplette Fiktion“, so Finsterwalder.
„Ich habe ihre Tagebücher gelesen, auch die der anderen Hofdamen. Ich fand all die Hochs und Tiefs bezeichnend, die die aushalten mussten.“ Die Beziehung dieser Frauen zur Kaiserin sei von großen Emotionen gekennzeichnet gewesen, „und das alles hab ich dann in eine Figur gestrickt, die ich Irma genannt habe. Mit der historischen Irma hat das aber wenig zu tun, die hatte beispielsweise ein sehr gutes Verhältnis zu ihrer Mutter.“
Sport, Drogen, Selbstkasteiung
Finsterwalder schrieb ihr Drehbuch gemeinsam mit ihrem Partner Christian Kracht, mit dem sie schon für ihr episodisches, lakonisch-verschmitztes Deutschland-Panorama „Finsterworld“ (2013) zusammengearbeitet hat. Kracht ist Autor von Romanen wie „Faserland“, „Eurotrash“ und auch „Imperium“, für den er sich mit dem Aussteiger August Engelhardt und dessen Kokosnuss-Kult befasst. Motive daraus, die extreme Selbstkasteiung etwa, finden sich in „Sisi & ich“ wieder, wenn Sisi von Irma nicht nur sportliche Ausdauer erwartet, sondern auch einfordert, dass sie wie die anderen Frauen ihres Hofsaates an Hungerkuren mit Abnehmdrogen teilnimmt.
Vieles in dieser Beziehung hat mit psychologischer Manipulation zu tun, ein sinngemäßes „Wenn du mich wirklich liebst, tust du das für mich“, das weit über das Verhältnis zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin hinausgeht. „In der Vorbereitung haben wir viel über Frauenbilder gesprochen und was eine Frau überhaupt sagen darf“, so Finsterwalder. „Es geht um physische und auch verbale Gewalt und auch um Essstörungen. Da gehört natürlich der Aspekt der Körperlichkeit dazu, wie Frauen ihren Körper wahrnehmen oder dieser auch von außen wahrgenommen wird und wie wir als Künstlerinnen damit umgehen.“01:45
Sandra Hüller: „Für mich war da eine Grenze erreicht“
Das sei auch in der Vorbereitung eine Gratwanderung gewesen, sagt Hüller im Interview gegenüber ORF Topos (siehe Video). Finsterwalder habe sie und Wolff gebeten, für die Rolle abzunehmen, „damit wir in die Kostüme passen“. Dabei tragen die beiden Figuren in nur wenigen Szenen Korsetts, viele der Kleider von Kostümbildnerin Tanja Hausner wirken anachronistisch fließend und frei. Womöglich hätte es die Ansage gar nicht gebraucht, die die beiden Schauspielerinnen so in Sorge versetzte. „Es ist psychologisch total interessant, was durch diese Ansage entstanden ist“, so Hüller. „Dieses Thema hat dann die ganze Arbeit bestimmt. Das ging schon sehr ins Private rein.“
Anachronismen als Schlüssel zur Wahrheit
Die Anachronismen im Film sind nicht nur an der Mode festzumachen. Finsterwalder nutzt auch Musik als bewussten historischen Stilbruch, ausschließlich Stücke weiblicher Interpretinnen, von TripHop bis Punk. Einen ähnlichen Kunstgriff haben schon andere Biopics berühmter Personen in den letzten Jahren angewandt, von Sofia Coppolas „Marie Antoinette“ über Susanna Nicchiarellis „Miss Marx“ bis, erneut, „Corsage“.
Neu ist aber tatsächlich, diese oft porträtierte Kaiserin aus dem Blickwinkel einer Frau zu zeigen, die ihr auf eine Weise zugetan ist, so volatil, innig, körperlich und von Eifersucht geprägt, wie es sonst wohl nur unter 13-jährigen Mädchen und sehr verliebten Menschen vorkommt. Im Film kollidiert das mit den Anforderungen eines rigiden Hofzeremoniells, das Ergebnis ist dramatisch.
Geschlechterrollen sind bei Finsterwalder ein Thema von vorgestern, Männer großteils bloße Stichwortgeber und Statisten. Die Regisseurin geht auf der Leinwand vollends unbekümmert mit dem um, was der historische Rahmen vorgibt, interpretiert um, setzt neu zusammen – und schafft gerade dadurch ein Bild, das aufschlussreich von der Welt erzählt.
Magdalena Miedl (Text, Gestaltung), ORF Topos, Kimquin Bahian (Schnitt), für ORF Topos
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Sisi & ich (ÖFI)v1.0.4-production (04. April 2023, 12:05:59)
QELLE : ORF.AT