Wasserkreislauf gerät außer Tritt
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02. April 2023, 06:00 Uhr
Die vergangenen Jahre haben in einigen Teilen Österreichs zu wenig Schnee und Regen gebracht. Der Grundwasserspiegel ist mancherorts auf einem historischen Tief angelangt, etwa in der Marktgemeinde Zillingdorf (NÖ) (siehe Video). Diese Trockenphase lässt sich nicht direkt mit dem Klimawandel erklären. Indirekt verändert sich mit der Erwärmung aber der globale Wasserkreislauf, und das betrifft auch Österreich.Ruth Hutsteiner
„Es ist absehbar, dass die Grundwassersituation heuer so bleibt oder sogar schlechter wird. Es sei denn, es wird jetzt im Frühling und Sommer überdurchschnittlich feucht“, sagt Roman Neunteufel, Wasserexperte von der Universität für Bodenkultur Wien, mit Blick auf die nächsten Monate. Der Grund für diese Aussage: Es ist in manchen Regionen Österreichs zu trocken, die Grundwasserstände haben ein historisches Tief erreicht, und der Zeitraum, in dem sich Grundwasser normalerweise bildet, ist fast vorbei.
Grundwasser, und damit Trinkwasser und Spritzwasser für die Landwirtschaft, wird nämlich hauptsächlich durch den Niederschlag im Winter gebildet. Sobald die Pflanzen sprießen, nehmen sie einen erheblichen Teil des Regens auf und das Wasser verdunstet, ehe es im Boden versickern kann.Hydrographischer Dienst Österreich/Landwirtschaftsministerium/OpenStreetMap
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Grundwasserstand per 31.3.2023, mehr Informationen bei Klick oder Touch
Mancherorts haben die kühlen Monate, November bis März, den notwendigen Regen und Schnee nicht gebracht. Vielmehr hat sich die Trockenheit des vergangenen Jahres fortgesetzt. „Im Wiener Becken, dem nördlichen Burgenland bis hin zum Schneeberg gab es seit Jänner 2022 gut ein Drittel weniger Niederschlag als im Durchschnitt“, erklärt Alexander Orlik von GeoSphere Austria gegenüber ORF Topos. In Unterkärnten waren die zwei letzten Jahre zusammen so trocken wie in den vergangenen 200 Jahren nur selten.
Grundwasserpegel in 60 Prozent der Fälle zu niedrig
Der Niederschlagsmangel spiegelt sich auf der Grundwasserkarte wider. Aktuell ist der gemessene Pegel in 60 Prozent der Fälle zu niedrig. Im Burgenland standen Mitte März 22 von 25 Messstellen auf orange oder rot. „In Wr. Neustadt ist der Grundwasserstand sogar so niedrig wie noch nie in den vergangenen 100 Jahren“, so Neunteufel.
Dass es in einigen Regionen Österreichs zu wenig geregnet und geschneit hat, lässt sich aber nicht direkt durch den menschengemachten Klimawandel erklären. „Der Niederschlag in Österreich ist regional von starken Schwankungen geprägt. Auf sehr trockene Jahre können auch wieder sehr feuchte Jahre folgen. Bisher hat sich die Menge des Niederschlags regional kaum verändert“, so Orlik. Einzig im Südosten Österreichs nehmen Regen und Schnee seit Jahrzehnten sukzessive ab und die Trockenheit zu.

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Je wärmer die Luft, desto weniger Feuchtigkeit im Boden
Nichtsdestotrotz wirkt sich die Klimaerwärmung erheblich auf den Wasserhaushalt aus und verstärkt Trockenperioden wie diese – und zwar schon heute. So wachsen Pflanzen mit steigenden Temperaturen früher und länger. „Sobald die Vegetation aktiv wird, beginnen die Pflanzen auch Wasser zu verdunsten. Je länger die Vegetationsperiode ist, desto stärker verkürzt sich der Zeitraum, wo effektiv neues Grundwasser gebildet wird“, erläutert der Klimaforscher Klaus Haslinger von GeoSphere Austria.

Auch die Atmosphäre wird mit der Erwärmung durstiger und entzieht dem Boden zusätzlich Feuchtigkeit. „Die Fähigkeit der Luft, Wasserdampf aufzunehmen, steigt exponentiell mit der Temperatur. Das heißt, mit jedem Grad Erwärmung kann die Luft sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen. Bei Gewitter sind es sogar 14 Prozent. Je wärmer es also ist, desto mehr Feuchtigkeit wird dem Boden entzogen“, erklärt Marc Olefs, Leiter der Klimaforschung der GeoSphere Austria.
Prognose von Regen- und Schneemengen komplex
In den Messdaten zeichnet sich zudem eine weitere ungünstige Entwicklung ab: Es gibt immer mehr Tage mit starken Niederschlägen. Seit den 2000er Jahren haben Wetterlagen mit Unwetterpotenzial um etwa 20 Prozent zugenommen. „Das bedeutet, es gibt längere Niederschlagspausen, weniger leichte Niederschläge im Sommerhalbjahr, aber gleichzeitig mehr intensivere Regenfälle, bei denen der Boden das Wasser dann eigentlich gar nicht aufnehmen kann“, erläutert Olefs.
Positiv für die Grundwasserneubildung könnte wiederum sein, dass Modellen zufolge die Niederschläge im Winter im alpinen Raum generell mehr werden und im Sommer tendenziell weniger. „Zwar sehen wir diesen Trend in der Schweiz bereits, in Österreich im Moment aber noch nicht“, gibt Olefs zu bedenken.
Grundsätzlich gibt es bei der Frage, wie viel es in Zukunft regnen und schneien wird, noch erhebliche Unsicherheiten. „Die Unsicherheiten sind größer als bei der Temperatur. Das liegt schon einmal daran, dass es einige Messfehler beim Niederschlag gibt, die jetzt bei der Temperatur nicht so gravierend sind.“ Darüber hinaus sind die Mechanismen hinter Regen und Schnee, so Olefs, komplexer als jene, die die Temperatur verändern. „Deshalb sind die Erkenntnisse aus den Klimasimulationen beim Niederschlag weniger belastbar als bei der Temperatur.“ Das überträgt sich auf die Grundwasserprognosen, die aus heutiger Sicht noch kein klares Bild zeigen.
Regional Engpässe möglich
Was wir aber sicher wissen, erklärt Neunteufel. Es wird nicht nur wärmer und dadurch trockener. Der Wasserverbrauch werde auch steigen: „Einerseits weil die Bevölkerung wächst, und andererseits weil mit den steigenden Temperaturen pro Kopf mehr Wasser verbraucht wird. Drittens wird auch die Landwirtschaft mehr Wasser verbrauchen.“
Regional wird es außerdem auch in Zukunft Phasen wie heute geben, in denen es über Monate und Jahre durchschnittlich zu wenig regnet, betont der Klimaforscher Haslinger. „Wir müssen uns für solche Ereignisse in Zukunft besser wappnen, denn mit zunehmender Klimaerwärmung werden auch solche Trockenperioden größere Herausforderungen und Konflikte mit sich bringen.“
In Regionen wie dem Nordburgenland könnte es aufgrund der anhaltenden Trockenheit der vergangenen Jahre schon in diesem Sommer zu Engpässen und damit zu Einschränkungen kommen. „Der Wasserbedarf in den Haushalten ist natürlich auch in einem heißen, trockenen Sommer gesichert. Es kann aber sein, dass auf die Gartenbewässerung oder das Füllen von Pools verzichtet werden muss“, erklärt Helmut Herlicska, Technischer Betriebsleiter vom Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland.
Dort versucht man sich auf eine ungünstige Grundwasserentwicklung vorzubereiten. „Einerseits bauen wir Verbindungsleitungen zu anderen Wasserversorgern, um uns gegenseitig auszuhelfen. Andererseits suchen wir nach neuen Grundwasserressourcen in der Region“, so Herlicska.

Science: Was man gegen Wassermangel tun kann
Handlungsmöglichkeiten: Entsiegelung und Wasserrechtsmanagement
Um künftig verheerende Engpässe zu vermeiden, empfehlen Fachleute wie Neunteufel zudem, Böden zu entsiegeln, damit Wasser großflächiger versickern kann und nicht über den Beton abfließt. Außerdem „muss man jetzt in manchen Regionen auch vorsichtig sein, welche Wasserrechte auf welche Dauer noch erteilt werden. Ziel muss es ja sein, die nachhaltige Wassernutzung für alle Bereiche in Zukunft zu ermöglichen“, so Neunteufel.
Letztlich sei die weitere Entwicklung des Wasserhaushalts aber wesentlich davon abhängig, so der Wasserexperte, wie sehr es global gelingt, die Klimaerwärmung zu bremsen. „Je besser wir es schaffen, desto eher bleibt die Wassersituation in Österreich in etwa so wie jetzt.“
Ruth Hutsteiner (Text und Video), TV-Wissenschaft, Sandra Schober (Daten), ORF.at, Kafeela Adegbite (Schnitt), für ORF Topos
Links:
- eHyd Grundwasserstände
- Wasserschatzstudie Österreich
- Klimafakten Österreich (GeoSphere Austria)
- Klimaszenarien für Österreich (BMK)
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QELLE : ORF.AT