Live aus dem RadioKulturhaus und zum Nachsehen
„Keine Panik“: Ein „Club 2“ für Mutige
„Keine Panik“: Ein „Club 2“ für Mutige teilenBühne
31. Januar 2023, 18:13 Uhr
Nur Mut, hat sich Ö1-Moderatorin Kristin Gruber wohl gedacht, als sie ein neues Format zwischen Late-Night-Show und journalistischem Talk ersann. „Keine Panik“ heißt die Serie, die über ORF Topos live zu erleben ist. In diesem „Club 2“ der roaring 2020er prallen diesmal Migrationserfahrungen auf kulturelle Stereotypen und Schablonen. Zu Gast sind Malarina und die kanadische Experimentalmusikerin Kasho Chualan.Gerald Heidegger
Formate mit unvorhersehbarer Gesprächsentwicklung könnten für den ORF seit dem „Club 2“, der ja bereits in den 1970er Jahren gestartet war, Tradition haben. Doch Traditionen halten sich gerade im Meer der Überangebote von Gesprächsformaten nicht immer. Deshalb probiert das RadioKulturhaus gemeinsam mit der Ö1-Journalistin Kristin Gruber ein neues Format aus: Late-Night-Talk trifft offenes Gespräch trifft Journalismus. Diesmal mit Fragen zu Identität und dem Brechen von Erwartungen. Zu Gast sind Marina Lacković, die als Malarina seit drei Jahren die Comedy-Szene aufmischt, und die kanadische Pianistin Kasho Chualan, die sich mit ihren musikalischen Experimenten in Wien niedergelassen hat.

Ran ans Eingemachte
Ans Eingemachte wolle man gehen, verspricht Moderatorin Gruber, die mit ihren Gästen heute Abend im RadioKulturhaus und live via ORF Topos schnell am Punkt landen könnte. Malarina, das Alter Ego von Lacković auf der Bühne, ist ja das Gegenteil der ehemaligen ORF.at-Mitarbeiterin, Komparatistik-Studentin und sozialisierten Tirolerin. Malarina ist rechts, weint Heinz-Christian Strache nach, hat einen fernerotischen Bezug zur Haider-Ära und ist in allem deutlich rechts eingestellt, was man der Autorin eher nicht unterstellen wird. Gerade mit der Ausrichtung ihres Programms trifft sie den Nerv der Irritation und ist auch, wie man seit verschiedenen Auftritten mitverfolgen kann, zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt.
Malarina ist Salzburger-Stier-Preisträgerin 2023. Es ist eine der traditionsreichsten Auszeichnungen des Genres, die seit 1982 an Kabarettistinnen und Kabarettisten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz verliehen wird. Vergeben wird der Salzburger Stier 2023 am 5. und 6. Mai in Linz bereits zum 42. Mal.
In ihrer politischen Satire stürzt sich Malarina auf die Triggerpunkte der österreichischen Geschichte gerade in der Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Jugoslawien. Ihr Programm „Serben sterben langsam“ beginnt eigentlich dort, wo Christopher Clarks „Schlafwandler“-Buch aufhört: bei den Schüssen von Sarajevo und den vielen Unversöhnlichkeiten der Geschichte, die im Alltag gebrochen werden – und im Bedarfsfall aus gar nicht so tiefen Schubladen hervorgekramt werden können.

Wenn man immer gerne daran erinnert, die Deutschen seien die größte Ausländergruppe im Land – so ist diese Statistik ja schon ein Ergebnis des auseinandergefallenen Jugoslawiens und seines Vielvölkerkonglomerats, das am Anfang der Gastarbeiterbewegung nicht ausreichend differenziert in der Alpenrepublik wahrgenommen wurde. Im Verhältnis von Österreich und Serbien lassen sich verschiedene Daten der älteren und jüngeren Zeitgeschichte für eine aufblühende Vorurteilskultur mischen – und mit diesem Amalgam spielt Malarina so provokant wie wenige vor ihr. Als in Serbien Geborene hat sie beim Aufwachsen in Tirol als Kind einer Gastarbeiterin hinreichende Erfahrungen im nicht immer so verständnisvollen Umgang mit dem Anderen.

Eine Antichristin gegenüber der Klassik
Wie sehr kulturelle Brüche in der Konstruktion von Identität eine Rolle spielen können, wird auch die kanadisch-kurdische Pianistin Chualan reflektieren. Nicht zuletzt über ihre experimentelle Arbeit im Musikbereich, bei der sie, wie das Programm verspricht, als experimentell, traumhaft und als Antichristin der klassischen Musik auf der Bühne einfahren werde: traumhaft und mit dem Mut, das Neue in ihrer Sprache zu formulieren.
Gerald Heidegger (Text), ORF Topos
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