Kiki-Kogelnik-Schau

Die Frau, die ihrer Zeit voraus war

Die Frau, die ihrer Zeit voraus war teilenKulturKunstBildende Kunst

02. Februar 2023, 10:14 Uhr

Kommerz, Kitsch, Kunst – und dazwischen zwei weitere K: Kiki Kogelnik. Wenige Künstlerinnen aus Österreich wie auch aus Europa und Amerika wussten die Zeit mit ihren Widersprüchen so der Zeit voraus auf den Punkt zu bringen wie die in Graz geborene und in Bleiburg aufgewachsene Sigrid „Kiki“ Kogelnik. Wenn sie nun im Wiener Kunstforum eine Retrospektive bekommt, dann darf man darin sehr viel Zeitgeschichte des Umbruchs lesen – schon das Golden Age des Wiederaufbaus stellte Kogelnik ebenso auf den Kopf wie die Konsumgesellschaft und die Debatten der Gegenwart.Gerald Heidegger

Dass Kunst für ihre nachhaltige Wirksamkeit eine bestimmte Form von Zeitgenossenschaft verlangt, klingt wie ein abgedroschenes Klischee, ist aber im Fall von Kogelnik tatsächlich die Beschreibung einer Frau, die alle Chancen ergreift, die sich ihr in ihrer Zeit und der Beschränktheit der Welt im Österreich nach 1945 bieten. Wenige Menschen im Österreich des Wiederaufbaus haben die Potenziale von persönlichen Kontakten für die Internationalisierung des eigenen Blicks und der eigenen Haltung so genutzt wie die 1935 in Graz geborene Kogelnik.

Die „Galerie nächst St. Stephan“ des Monsignore Otto Mauer ist ebenso ein Platz der Gelegenheit wie alle Kontakte und alle Versuche, möglichst schnell in die Welt hinaus zu kommen – und das, was man in der Welt erlebt, in einer Sprache der Kunst eine Drehung weiter zu denken. Von Wien nach Paris und über den Kontakt zu Sam Francis rasch nach New York. Niemand war so schnell im Kopf und in der Umsetzung wie die schöne und selbstbewusste Kiki Kogelnik, die den Spitznamen, den ihr einer ihrer Brüder gegeben hat, zu einer unverkennbaren Trademark gemacht hat.

Die 1960er Jahre sind interessanterweise eine übersehene Zeit beim Blick auf das Gesamtwerk Kogelniks.

Bereits in den 1960er Jahren kannte Kogelnik sowohl die West- als auch die Ostküste der Vereinigten Staaten – und hatte als selbstbewusste, gestaltende Frau die guten Kontakte in die Szene der Zeit, und das war die größer werdende Pop Art. „Die 60er Jahre sind eigentlich eine vergessene Zeit im Werden der Kiki Kogelnik“, erzählt Kuratorin Lisa Ortner-Kreil bei einem Rundgang in der von ihr kuratierten Schau, die bewusst sehr die Werkphasen von Kogelnik ins Auge fasst – und dabei auch deutlich macht, warum diese Frau zwar als Vertreterin einer internationalisierten Pop Art aus Österreich gelten könnte, aber sich allen Schubladisierungen entzieht. „Sie war immer ihrer Zeit voraus“, erzählt Ortner-Kreil. Deswegen würde man Kogelniks Bilder, zum Beispiel ihr Werk „Desire“ (1973), das auch in der Schau zu sehen ist, immer um zwei Jahrzehnte nach hinten datieren.

„When you’re growing up in a small town
Bad skin, bad eyes – gay and fatty
People look at you funny
When you’re in a small town
My father worked in construction
It’s not something for which I’m suited
Oh – what is something for which you are suited?
Getting out of here.“

John Cale, Lou Reed: „Small Town“. Aus der Serie „Songs for Drella“ über Andy Warhol.

Weg mit dem Originalitätsanspruch

„Kogelnik sah eine bunte Stadt, als sie in den 1960er Jahren nach New York kam“, erzählt die Kuratorin, die diese Schau auch noch ins dänische Odense und nach Zürich bringen wird. Kogelnik habe ihre Künstlerkontakte, etwa zu Claes Oldenburg, aber auch zu der Gruppe um Andy Warhol, gewieft genutzt. Stets hat sie aber einen eigenen Ausdruck gefunden. So nimmt sie Umrisse ihrer prominenten Wegbegleiter ab und hängt sie als Latexschablonen über Kleiderbügel oder Wäscheleinen. Als Amerika auf dem Mond landet, begleitet Kogelnik dieses Liveereignis mit einer Serie von Siebdrucken: Originalität und Einzigartigkeit misstraute sie.

  • Kiki Kogelnik FoundationGemälde von Kiki Kogelnik zeigt farbenfrohe Körperteile mit Punktenn und Herzen kombiniert„Self-Portrait“, 1964, Öl und Acryl auf Leinwand
  • Kiki Kogelnik FoundationLeinwand mit schematisch gezeichneten Menschenfiguren und einem Kopf aus dem bunte Farblinien fließen„Robots“, 1966–67, Tinte und Buntstift auf Papier
  • Kiki Kogelnik FoundationKunstwerk von Kiki Kogelnik zeigt Silhoutte von Händen und Füßen„Fallout“, ca. 1964, Öl, Acryl und Vinyl auf Leinwand
  • Kiki Kogelnik FoundationKombination aus zwei Kiki Kogelnik Werken„Chandelier Hanging“, ca. 1970, Acrylaufhänger mit Vinyl und „Superserpent“, 1974, Öl und Acryl auf Leinwand
  • Kiki Kogelnik FoundationZwei Gemälde von Kiki Kogelnik„I Lost My Chewing Gum, 1960“ und „The Painter, 1975“
  • Kiki Kogelnik Foundation/John PrattArchivaufnahme von Kiki Kogelnik in ihrem Studio Kiki Kogelnik arbeitet in ihrem Studio in New York, 1965

Die Serialisierung der Pop Art war eigentlich die Botschaft, die sie mit in ihre Kunst nahm. Im Prinzip sind die Grafiken von Kogelnik zu Recht ihr in der Breite geschätztes Ausdrucksmittel. Ihre Kunst ist Hinterfragung, gerade aller Zwänge und aller Posten. Kommerz und Mode sind bei ihr die Träger von Ikonografie. Die Frauen, die sie darstellt, verweisen auf sie und sind zugleich entpersonalisiert. Und auch immer entsexualisiert.

Das Flächige ihrer Kunst sei eines der entscheidenden Momente der Wiedererkennbarkeit von Kogelnik, erzählt Ortner-Kreil. Über viele Werkphasen hinaus. Wer freilich die Anfänge ihrer Arbeiten sieht, darf eine aus der Farbwucht schöpfende Künstlerin erkennen, die auch aus den Arbeiten ihrer männlichen Zeitgenossen heraussticht.

Abstraktion mit Botschaft an den Geliebten

Die frühe Liebe zu Sam Francis, sie ist sogar in einem Werk zu erkennen, das nur durch Farben zu brillieren scheint. Tatsächlich haben sich aber die Initialen des ersehnten Mannes miteingeprägt. Wer spätere Arbeiten von Kogelnik in dieser Schau sieht, der entdeckt freilich auch die Enttäuschungen betrogener Liebe. Mitunter begegnen sich Kogelnik und Maria Lassnig in der Art, wie Körperteile zu skulpturhaften Torsi herausgelöst werden. Kogelnik hängt die weiblichen Geschlechtsorgane an ein Schaukelgestell. Die Entwertung der Sinne ist ihre Rache an der eigenen Betrogenheit.

„When you are growing up in a small town“, singt Lou Reed im Song „Small Town“, den er gemeinsam mit John Cale produziert hat. Der Song beschreibt den weiten Weg, den Warhol von Pittsburg nach New York genommen hat. Tatsächlich spielt die Nummer aber auf den noch weiteren Weg der ruthenischen Vorfahren aus der Kleinstadt in Osteuropa in die USA an.

Kogelnik wurde in ihrer Heimat in Bleiburg begraben. Hinterlassen hat sie aber eine kosmopolitische Biografie wie wenige Künstlerinnen und Künstler aus dem Österreich des 20. Jahrhunderts. Entscheidend in dieser Biografie, wie in der vieler Pop-Art-Künstler, ist aber die Selbstgestaltung dieses Weges: der Ausbruch aus der Herkunft und den Gestaltungskonventionen der eigenen Tradition. In diesem Sinn war Kogelnik, und das beleuchtet die Ausstellung bis in die spätesten Phasen, vielleicht sogar die größte Weltbürgerin der Bildenden Kunst nach 1945.

Gerald Heidegger (Text und Gestaltung), ORF Topos, Marcus Walter (Kamera), für ORF Topos, Kafeela Adegbite (Schnitt), für ORF Topos

Sendungshinweis: ZIB 1, 02.02.2023

Links:

v1.0.4-production (14. March 2023, 10:02:17)

QELLE : ORF.AT TOPOS

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