Thomas Spitzer zum 70er: „Tut schon weh“
„Humor ist das Rettungsboot im Meer des Elends“, lautet ein Credo von Thomas Spitzer. Der Grazer hat Austropop-Klassiker getextet und mit der EAV die Hitparaden erobert. Am Donnerstag feiert der Texter, Sänger, Gitarrist und Grafiker seinen 70. Geburtstag.Online seit heute, 18.01 UhrTeilen
Gegen das Alter, das Thomas Spitzer mit dem runden Geburtstag erreicht, hat die Austropop-Legende zunächst eigentlich wenig einzuwenden: „Is’ mir wurscht, dass da ein Siebener vorn steht“ – nur um dann hinzuzufügen: „Tut schon weh.“
Aus der Not eine Tugend gemacht
Geboren in Graz-Liebenau als Sohn eines Schriftstellers und einer Journalistin war die Kindheit vom strengen Vater geprägt. „Es gab keinen Fernseher, kein Radio und keinen Plattenspieler im Haus“, erzählt der Künstler. „Ich kannte bereits in der ersten Klasse Volksschule alles, was es altersadäquat in der Stadtbibliothek Graz gab. Aber mein Vater hätte mich umgebracht, wenn ich mit einem Comic-Heft nach Hause gekommen wäre. Das Einzige, womit ich mich beschäftigen durfte, waren Wilhelm Buschs gesammelte Werke.“SOUNDThomas Spitzer wird 70: „Tut schon weh“
So musste Spitzer seine Comics selbst zeichnen und texten und entdeckte dabei früh sein grafisches Talent: „Mein Vater hat am Schreibtisch auf seiner alten Schreibmaschine herumgeklimpert, und ich saß daneben und hab’ gezeichnet.“ Aus der Mittelschule sei er „entfernt worden“, weil seine Noten alle zwischen Vier und Fünf lagen – „außer in Sport, Musik, Deutsch und Zeichnen“ –, also besuchte Spitzer eine Kunstgewerbeschule. Das hatte aber auch einen anderen Grund: „Im Gymnasium waren lange Haare nicht erlaubt. Aber dort durfte man Federn bis zum Arsch haben.“
Musikbegeisterung in Wien entfacht
Ab 1974 studierte er dann in Wien an der Universität für angewandte Kunst. Die Anarcho-Schock-Rock-Gruppe Drahdiwaberl spielte dort jährlich ein Konzert. „Da dachte ich immer: Das wär’s“, erinnert sich Spitzer, der sich mit 14 Jahren das Gitarrespielen selbst beigebracht hat – „ich gestehe, weil ich gemerkt habe, dass man damit beim anderen Geschlecht relativ gut ankommt“, so die spätere Musiklegende.Thomas Spitzer wird 70: „Tut schon weh“02:24
Im Zuge des Studiums gründete Spitzer mit Nino Holm die EAV. „Spielen konnten wir nicht besonders gut, also machten wir Musiktheater. So ist aus der Not eine Tugend geworden, die sich relativ erfolgreich entwickelt hat“, schmunzelt Spitzer, der fast alle Texte der Band schrieb. Wegen der Tourneen war er am Ende nur selten an der Universität zu finden, das Studium schloss er trotzdem ab. Als Diplomarbeit reichte Spitzer das EAV-Album „Cáfe Passé“, Bühnenbild, Kostüme und einen Live-Mitschnitt ein. Seine Mutter, mit dem Beruf ihres Sohnes alles andere als glücklich, „war zufrieden“.
EAV-Erfolg mit Eberhartinger
Der kommerzielle Erfolg der EAV sei erst mit dem Einstieg von Klaus Eberhartinger möglich gewesen: „Die Qualität von Klaus liegt im Schlüpfen in tausenderlei Rollen. Wir haben ihn zum Geschichtenerzähler gemacht. Das war im Endeffekt das Erfolgsrezept.“
Die EAV feierte mit dem Album „Spitalo Fatalo“ sowie den Singles „Afrika – Ist der Massa gut bei Kassa“ und „Alpenrap“ den kommerziellen Durchbruch. Mit der LP „Geld oder Leben!“ ging es 1985 steil bergauf – auch international, nicht zuletzt wegen der Single „Ba Ba Banküberfall“. 1987 erschien das kommerziell erfolgreichste Werk „Liebe, Tod und Teufel“. Insgesamt verkauften sich Tonträger mit Thomas Spitzer kolportierte zehn Millionen Mal.
Fotostrecke mit 12 Bildern


Bild 1von 12Weiter in der Fotostrecke
In Kenia richtete die EAV ihr Studio ein, das Land wurde zur zweiten Heimat Spitzers: „Ich liebe Österreich, ohne Nationalist zu sein. Aber zwischen Allerheiligen und Ostern ist es am Indischen Ozean a net schlecht.“
Großer Erfolg kam überraschend
„Für uns war der große Erfolg eine Überraschung“, so Spitzer weiter. „In den Anfangsjahren sind wir bei jeder Plattenfirma rausgeflogen. Sie haben uns gesagt, wir seien gut aufgehoben im Bereich der Kleinkunst, aber verkaufen können sie uns sicherlich nicht.“
Spitzer gestaltete sämtliche Cover der Band und verpackte geschickt Kritik in simpel anmutende Songs: „Das war schon relativ genial, dass durch diese leicht konsumierbaren Melodien drei Generationen darauf abgefahren sind und was zwischen den Zeilen stand, erst später verstanden wurde.“
„Mama, aus deinem Buben ist doch was geworden“
Über seine lange Karriere resümiert Spitzer: „Ich habe einige Teiltalente, bin aber in keiner Disziplin ein Chef. Auf der anderen Seite ist meine Lebenspalette so bunt: Wäre ich nur ein Top-Maler oder Top-Gitarrist, wäre mein Leben fad. So aber darf ich in fünf Bereichen kreativ sein.“Thomas Spitzer zu seinem 70er00:22
Zumindest eines schätzt der Steirer am Alter: „Jetzt habe ich mehr Zeit für meinen vierjährigen Sohn, ein besserer Vater zu sein als ich das für meine geliebte Tochter war.“ Was ihm rückblickend leid tue? „Dass meine Mutter verstorben ist, bevor ich den Ehrenprofessor bekommen habe.“ Wenn es so etwas wie ein Danach gebe, so richtet ihr Spitzer aus: „Mama, aus deinem versauten Buben ist doch was geworden.“
Spitzers Frau Nora hat mit dem Buch „Geht ein altes Herz auf Reisen“ mit 150 handschriftlichen Liebesbriefen und Reiseberichten ihres Mannes ein besonderes Geschenk für das Geburtstagskind gestaltet.
red, steiermark.ORF.at/Agenturen
Link:
- EAV
QELLE : ORF.AT